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Die Fuenfzig vom Abendblatt

Die Fuenfzig vom Abendblatt

Titel: Die Fuenfzig vom Abendblatt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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Brüstung und seine ganze Haltung verriet das Interesse, das ihn plötzlich erfüllte.
    Aber auch der Allgewaltige selbst schaute für einen Augenblick erstaunt zu Professor Beckmann hinüber, so als ob er sagen wollte, daß das da, was man jetzt zu hören bekäme, eigentlich gar nicht so schlecht sei. Und genauso gaben ;-s auch die Herren aus Berlin und Zürich zu verstehen, daß nämlich dieser zweite Teil des Konzerts augenscheinlich einen Wechsel zum Guten bringen würde.
    Nur Professor Beckmann saß auch weiterhin ohne jede Bewegung. Er schien geradezu erstarrt zu sein. Seine unnachgiebige Haltung wirkte beinahe schon peinlich.
    Der Allgewaltige konnte nicht umhin, sich vorsichtig nach dem Unerbittlichen umzuwenden.
    „Ich will versuchen, sachlich zu bleiben, trotz allem. Diese Musik scheint wirklich sehr gut zu sein, so empfinde ich das wenigstens —“
    Mister Voss hatte im Flüsterton, aber doch sehr eindringlich gesprochen.
    Aber der Professor reagierte mit keiner Miene. Er antwortete mit keinem Wort. Bis er jetzt plötzlich aufstand und ohne jede Erklärung die Loge verließ.
    Mattoni hatte von dem ganzen Zwischenfall nichts bemerkt. Und auch im Saal war jetzt alles Interesse dem Orchester zugewandt.
    Der Allgewaltige schloß die Augen. Dabei dachte er noch, wie schade es sei, daß Professor Beckmann anscheinend nicht stark genug wäre, sich, wenn nötig, auch einmal zu korrigieren. Er hatte mehr Sachlichkeit, ja sogar Ehrlichkeit von ihm erwartet — aber diese Gedanken waren plötzlich wie weggespült von den Melodien, die jetzt vom Orchester heraufkamen.
    Professor Beckmann, von dem der Nachtexpreß geschrieben hatte, daß er schon zum „alten Eisen“ gehöre, saß in diesem Augenblick bereits in einem Taxi.
    Als er die Loge verlassen hatte, war er im Laufschritt durch die leeren Wandelgänge zum Ausgang über die Treppen und zur Straße gerannt. Dort hatte er laut nach einem Taxi gerufen. Nun saß er bereits im Rücksitz eines alten Opels, der für die Stadtfahrten einer Taxe gerade noch gut genug erschien.
    „Berlitzstraße sechsunddreißig. Beeilen Sie sich, guter Freund, ich flehe Sie an — “
    Der dicke Chauffeur tat, was er konnte. Es war nicht allzuviel. Aber nach etwa drei Minuten war er doch am Ziel.
    Professor Beckmann hatte schon gute fünfzig Meter vor dem Anhalten des Wagens die Tür geöffnet. Als jetzt die Bremsen quietschten, stieß er sie vollends auf, sprang wie ein Achtzehnjähriger ins Freie, und während er jetzt auf einen Hauseingang zurannte, rief er dem Chauffeur noch zu, er solle gleich wieder wenden und um Gottes willen den Motor nicht abschalten.
    Im dritten Stockwerk, bevor die Treppe weiter zum Dachgeschoß führte, mußte der alte Herr dann doch für ein paar Sekunden Atem holen. Aber gleich danach stürmte er wieder weiter, und als er jetzt endlich schwer atmend vor Verhovens Tür stand, klingelte und klopfte er gleichzeitig und mit beiden Händen, als stünde das Haus in Flammen.
    Klaus öffnete. Aber der Professor beachtete den Jungen gar nicht. Ohne jede Frage stürzte er einfach durch den schmalen Korridor, bis er plötzlich im Zimmer des Blinden stand. Hier allerdings verschlug es ihm im ersten Augenblick die Sprache.
    Vater Verhoven saß nämlich in Hemdsärmeln am Flügel und um ihn herum, auf Stühlen, Hockern und Bücherstapeln, zehn oder fünfzehn Jungen der Horde. Heute war ja Sonntag, und man hatte endlich die längst fällige Einladung nachgeholt.
    „Anziehen! Sofort anziehen Der Professor ließ die Tür hinter sich gleich offen. Jetzt hatte er über einem Bügel den Rock des Blinden erblickt. Den warf er sich einfach über den Arm.
    „Das Auto wartet unten, Jungen. Schafft mir den Verhoven so schnell wie möglich auf die Straße und in den Wagen. Mehr sage ich im Augenblick nicht!“
    Und dabei stürmte der Professor mit dem Rock des Blinden über dem Arm bereits wieder durch den Korridor, zum Treppenhaus und der Straße zu.
    Zum Denken schien jetzt keine Zeit zu sein. Zum Reden noch viel weniger. Sie wußten ja alle, daß heute wieder ein Bertelmann-Konzert stattfand, und wenn dieser weißhaarige Professor plötzlich in seinem Frack so außer Atem auftauchte, mußte schon etwas Wichtiges passiert sein. Also faßte Alibaba den Blinden von der einen, Klaus von der anderen Seite. So schnell es eben ging, führten sie ihn über die vier Treppen.
    Professor Beckmann saß bereits wieder im Taxi. Über die Straße hinweg rief er jetzt dem Blinden zu, und er

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