Die Fuenfzig vom Abendblatt
Haustecher, der dafür bekannt war, immer sehr freundlich zu sein, war während dieser fünf oder sechs Minuten zu dem kleinen Opitz alles andere als freundlich gewesen. Er war durch sein schmales Dienstzimmer gestampft wie eine Lokomotive, die zu viel Dampf im Kessel hat.
„--fünf Tage laufen Sie schon hinter dem Bengel her! Fünf volle Tage! Und was kam dabei heraus? Nichts! Noch weniger als nichts. Halt, Entschuldigung: daß er gestern abend irgendwo zwischen Hinterhäusern und auf einem leeren Grundstück verschwunden ist, das haben Sie noch feststellen können. Aber das ist auch alles! Dann ,kam er Ihnen aus den Augen“ — wie Sie so anschaulich in Ihrem Bericht gemeldet haben. Hat sich wohl in Luft aufgelöst, wie? Versank in der Erde, he? Sie haben den falschen Beruf, mein Lieber! Sie müßten sich nach irgend etwas umsehen, wobei Sie auf Ihre Augen nicht sonderlich angewiesen sind---“
Der ganze Auftritt hatte schließlich damit geendet, daß Haustecher verlangt hatte, heute abend selbst an jene Stelle geführt zu werden, wo dieser verdammte Abendblatt-Junge gestern und auch schon vorgestern nacht irgendwo im Dunkel verschwunden war. „— ist in der Gegend des Nachtexpreß. Gut — bleiben Sie dem Kerl auf den Fersen. Das heißt, soweit Sie das im Rahmen Ihrer bescheidenen Möglichkeiten können. Und um zweiundzwanzig Uhr heute abend bin ich vor der Toreinfahrt Hansemannstraße 14. Dort war es doch, wo Ihnen der Bursche laut Bericht aus den Augen kam, nicht? Also dort erwarten Sie mich. Will mir diese Gegend jetzt mal selbst anschauen. Meine Augen sind noch ganz gut im Schuß. Vielleicht müßten Sie sich eine Brille zulegen, Opitz?“
Nein, wirklich, diese Unterhaltung mit Kriminalkommissar Haustecher war unerfreulich gewesen.
Und das alles wegen diesem verflixten Burschen in seinem roten Pullover. Nichts gegen diesen Pullover übrigens. Seine grelle Farbe verlor sich nicht so leicht. Im allgemeinen wenigstens nicht.
In diesem Augenblick war er zum Beispiel noch deutlich hinter der Milchglasscheibe einer öffentlichen Telefonzelle zu sehen. Seit einer geraumen Weile stand er schon dort, und Kriminalassistent Opitz ließ ihn trotz seiner etwas trübsinnigen Gedanken keine Sekunde aus den Augen. An diesem Pullover würde er heute festkleben wie eine Klette.
Mit wem und was dieser Kerl da wohl zu telefonieren hatte? Jungen in diesem Alter haben Fußball zu spielen, Eis zu lutschen oder ins Kino zu gehen. Keinesfalls haben sie etwas in einer öffentlichen Fernsprechzelle zu suchen!
Wäre es nach Kriminalassistent Opitz gegangen, er hätte diesen Kerl jetzt einfach kurzerhand aus seinem Glaskasten herausgeholt, ihm links und rechts eine Ohrfeige geknallt, dann hätte man wohl alles erfahren können, was irgendwie von Interesse war. Man machte viel zuviel Umstände mit diesem Burschen —
Hätte der arme Kriminalassistent in seinem grauen Gummimantel gewußt, mit wem sich in diesem Augenblick jener „Bursche“ unterhielt, er hätte sich gewundert.
Harald telefonierte nämlich mit Kriminalkommissar Haustecher. Eben in dieser Sekunde war er mit ihm verbunden worden.
„Hier ist Harald Madelung. Vom Abendblatt. Vielleicht erinnern Sie sich noch an mich---?“
„Ja, richtig — kann mich noch erinnern —“
Der Kriminalkommissar tat so, als habe er den Besuch des Jungen fast schon wieder vergessen.
„Ich versprach Ihnen doch, am Montag Bescheid zu geben. Heute ist Montag —“
„Stimmt, heute ist Montag. Du bist auffallend pünktlich, mein Junge
„Wo kann ich Sie um dreiundzwanzig Uhr erreichen, Herr Kriminalkommissar? Genau um dreiundzwanzig Uhr?“
„Im ,Goldenen Anker’. Habe heute meinen Skatabend. Aber muß denn das sein? Ein reiner Zufall, daß ich jetzt noch hier im Dienst bin. Habe eigentlich schon seit zwei Stunden Feierabend — “
„Also im ,Goldenen Anker*. Gut. Es ist möglich, daß ich Ihnen noch heute die Namen der Falschmünzerbande nennen kann. Und ihre Adresse dazu. Sind Sie mit einem Auto im ,Goldenen Anker’?“
„Nee — wo denkst du hin, mein Junge. Bei meinem Monatsgehalt ...“
„Ich meine nur — damit Sie dann schnell irgendwo sein könnten. Vielleicht sogar mit zwei oder drei Polizisten---“
„Gleich mit ‘nem richtigen Überfallkommando? Junge! Junge! Und das mitten in der Nacht? Bist du denn deiner Sache wenigstens sicher?“
„Wenn ich Sie anrufe, bestimmt. Deswegen will ich ja noch bis dreiundzwanzig Uhr warten---“
„Meinst du — hm —
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