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Die Fuenfzig vom Abendblatt

Die Fuenfzig vom Abendblatt

Titel: Die Fuenfzig vom Abendblatt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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wußte nicht recht, was er sagen sollte. Fast hilfesuchend blickte er jetzt zum Chefredakteur des Nachtexpreß hinüber.
    „Mein Herr, natürlich sind Sie vollkommen im Recht. Aber bedenken sie doch! Wäre das Zelt heute voll besetzt, wie es allgemein angenommen wurde, als diese Ankündigung durch die Presse ging, dann würde ich keinen Augenblick gezögert haben, das Versprechen zu erfüllen!“ Die Künstler erhalten beim Weglassen des Netzes ein Mehrfaches ihrer Gage.
    Direktor Bertoldi hatte, die gelassene Ruhe eines Inders vergessend, seinen golddurchwirkten Turban abgenommen und knüllte ihn nervös zwischen den Fingern.
    „-aber im vorliegenden Falle steht ja das Wagnis in keinem Verhältnis zum Erfolg. Bei einem vollbesetzten Haus hätten am anderen Tage zweitausend Menschen über die dargebotene Sensation gesprochen und sie im Handumdrehen in der ganzen Stadt verbreitet. Doch bei der geringen Zahl der heutigen Besucher — wenn den Artisten irgend etwas zustoßen sollte--“
    Doch der Dicke lag breit im roten Plüsch seiner Loge und knurrte nur immer wieder:
    „Ich warne Sie! Noch gibt es Gerichte, die verflucht scharf hinter Betrügern her sind.“
    Bertoldi war diesem Menschen gegenüber völlig ratlos. Er versuchte geradezu verzweifelt, Verständnis zu finden.
    „Ich flehe Sie an, versetzen Sie sich doch in meine Lage — „
    Da fiel plötzlich das Schutznetz, dessentwegen der ganze Wortwechsel entstanden war, von der Höhe der Masten in die Manege. Der Direktor konnte sich nur mit ein paar schnellen Schritten in Sicherheit bringen, da es, auch an den anderen Seiten gelöst, jetzt vollends zur Erde kam.
    Der junge, hellblonde Mensch, der das Netz und damit auch das Streitobjekt so kurz entschlossen hatte beseitigen lassen, war während des Wortwechsels, in einen dunkelblauen Umhang gehüllt, an der Seite eines ebenfalls blondhaarigen Mädels dicht neben dem Podium der Musikkapelle gestanden. Als er aus dem Gebaren des Dicken ersehen hatte, daß dieser hartnäckig auf seiner Forderung bestand, hatte er einfach ein paar der rotlivrierten Arbeiter zu sich gerufen und das eben erst hochgezogene Netz wieder abbauen lassen.
    Nun gab er dem Leiter der Musikkapelle ein Zeichen. Trompeten und Pauken setzten ein, und wie der Hellblonde jetzt seinen blauen Umhang ablegte und zusammen mit dem Mädel in die Manege trat, war es offensichtlich, daß es diese beiden jungen Menschen waren, die jetzt unter dem Namen der „Zwei Remos“ aufzutreten hatten.
    Peter und Inge waren Geschwister. Beide fast von derselben Größe und beide schlank gewachsen. Sie mochten kaum mehr als siebzehn Jahre alt sein und wirkten, als sie jetzt mit ihren enganliegenden Trikots in das Licht der Scheinwerfer traten und sich verbeugten, eher noch jünger. Gewandt und scheinbar mühelos erkletterten sie die schmale Hängeleiter bis dicht unter das Dach des Zeltes. Ein beweglicher Scheinwerfer verfolgte sie dabei.
    Alibaba und die Jungen um ihn waren plötzlich voller Spannung.
    Diese beiden jungen Menschen dort oben hatten sich in der ganzen Stadt schnell einen Namen gemacht. Ihre Fotos waren bei ihrem Auftreten durch alle Zeitungen gegangen, und so, wie man Bilder bekannter Filmkünstler in den Schreibwarengeschäften kaufen konnte, waren die Fotos der „Zwei Remos“ in vielen Schaufenstern der Stadt ausgestellt.
    Der Umstand, daß die beiden heute ohne Netz arbeiteten, sowie der vorhergegangene Streit zwischen dem Zirkusdirektor und dem Dicken erhöhten natürlich das Interesse. Selbst wenn es auch nur wenig Menschen waren, die ihre Blicke zu dem dünnen Strich des Seiles richteten, das sich hoch oben quer durch das Zelt spannte, so lag jetzt doch eine fast unerträgliche Spannung über dem weiten Raum. Die Leere der Sitzplätze, die den anderen Nummern des Programms so abträglich gewesen war, unterstrich jetzt die atemlose Erregung und gab ihr erst recht ihren ungewöhnlichen Hintergrund. Hinter dem Vorhang, der am Rande der Manege aus dem Zelt zu den Wohnwagen führte, trat jetzt lautlos auch ein Teil der Artisten und der livrierten Arbeiter hervor, die ebenfalls Zeugen dieser Darbietung sein wollten.
    Die beiden Remos arbeiteten ohne sichtliche Erregung und wohl ebenso ruhig und überlegt wie an anderen Abenden auch. Es war ihnen nicht anzumerken, ob sie durch das Fehlen des Netzes irgendwie beeindruckt waren.
    Bisher hatte der Junge den gefährlichen Teil der Nummer bestritten. Er arbeitete ohne Schirm oder Balancestange. Jetzt

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