Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Fuenfzig vom Abendblatt

Die Fuenfzig vom Abendblatt

Titel: Die Fuenfzig vom Abendblatt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
Vom Netzwerk:
Das war er bestimmt.
    „Der Nächste, wenn ich bitten darf.“
    Die Schwester, die bisher vor Klaus gestanden hatte, ging jetzt auf einen älteren Herrn zu, neben dem ein großer, breiter Bernhardiner an der Erde lag. Dieser Bernhardiner erhob sich schwerfällig wie ein Löwe.
    Aber als nun auch der Blinde, dem dieser Hund gehörte, mit Hilfe der Schwester gerade aufstehen wollte, sang von der Tür her eine helle Jungenstimme durch den Raum.
    „ — sehr freundlich, Schwester, recht schönen Dank, ich werde es dem Herrn Professor sagen — „
    Damit verschwand Klaus in seinem Abendblatt-Pullover auch schon hinter der schmalen Tür des professoralen Arbeitszimmers.
    „Das ist doch — !“ Die gute Schwester war weniger böse als maßlos erstaunt. Während ihrer bestimmt schon recht beachtlichen Dienstzeit in diesem Hause war ihr eine ähnliche Frechheit noch nicht vorgekommen.
    „Entschuldigung — „ sie ließ den Patienten wieder auf seinen Stuhl zurücksinken. Dann ging sie ziemlich schnell und entschlossen zu der schmalen Tür, öffnete sie leise und gerade so weit, daß sie durch einen Spalt in das Arbeitszimmer des Gelehrten sehen konnte.
    Aber das, was sie nun erblickte, überraschte sie von neuem. Sie war nicht imstande, auch nur ein Wörtchen über ihre Lippen zu bringen.
    Jenseits der weißen Polstertür saß nämlich der Bengel in seinen kurzen Hosen und dem roten Pullover mit übereinandergeschlagenen Beinen, nicht anders wie ein Generaldirektor, dem Professor in einem tiefen Ledersessel gegenüber. Und der Gelehrte wandte sich beim Öffnen der Tür fast etwas unmutig um:
    „Bitte, jetzt keine Störung!“
    Er sagte es mit seiner leisen Stimme genauso, als ob er gerade mit der wichtigsten Untersuchung der Welt beschäftigt wäre.
    Schwester Erika schloß stillschweigend wieder die Tür hinter sich. Sehr sorgfältig achtete sie darauf, daß dabei Schloß und Klinke nicht zu hören waren. Aber es dauerte eine gute und geraume Weile, bis sie sich wieder von der Stelle bewegte.
    Hinter der schmalen, hohen Tür aber betrachtete der Gelehrte voll Interesse durch seine scharfgeschliffenen Brillengläser die schlanke Gestalt des Jungen, der auf der anderen Seite seines Schreibtisches in einem Ledersessel saß.
    Dieser Junge, der seinerseits den Professor nicht weniger neugierig ansah, stellte fest, daß das Foto im Abendblatt wohl etwa von seinem Standpunkt aus aufgenommen sein müßte. Das Regal mit all den vielen dicken und dünnen Büchern stand nämlich genauso hinter dem Gelehrten, wie es das Bild in der Zeitung gezeigt hatte.
    „ — und während dieser Zeit bist du mit deinem Vater immer ganz allein zusammen?“ Der Professor nahm jetzt seine Brille ab und wischte nachdenklich ihre Gläser blank.
    Eine Weile schaute Klaus, während er jetzt antwortete, in das schmale, hagere Gelehrtengesicht mit den vielen hauchdünnen Falten. Der weiße Bart übrigens, der dieses Gesicht umrahmte und der ihm auf dem Foto eigentlich beinahe etwas lächerlich erschienen war, gefiel ihm jetzt außerordentlich gut.
    „Diese plastischen Operationen an der Bindehaut oder die Übertragung von Hornhaut Klaus hatte den Artikel in der Zeitung gut gelesen und die schwersten Worte auswendig gelernt — „-ist das auch möglich, wenn ein Auge ganz blind, wenn es schon tot ist? Ich weiß ja nicht recht, wie es um Vater steht. Er war bisher nur bei einem einzigen Arzt, und der sagte, man müsse vorerst noch warten. Aber wenn man warten darf, das ist dann doch schon etwas, und man hofft dann immer weiter — “
    „Ja, mein Junge, dann müssen wir uns deinen Vater eben mal ansehen — wann hat er denn einmal Zeit?“
    Klaus stand auf. Er zögerte noch. Aber dann sagte er es doch: „Er wartet unten. Ich wollte ihn — er sollte nicht traurig sein, wenn Sie keine Zeit gehabt hätten oder wenn ich vielleicht gar nicht vorgelassen worden wäre. Er ist immer gleich so mutlos in der letzten Zeit. Aber wenn ich ihn jetzt holen darf — ?“
    Der Junge stand mit großen, fragenden Augen vor dem Gelehrten. Furcht und Hoffnung fieberten gleichermaßen der Antwort des Arztes entgegen. Und als der Professor jetzt kaum merklich nickte, da genügte diese Andeutung einer Zustimmung schon, um die Augen des Jungen aufleuchten zu lassen, als springe plötzlich ein ganz helles Licht in sie hinein. Er wollte etwas sagen, irgend etwas, das seinen Dank ausdrücken sollte. Aber die Worte blieben ihm in der Kehle stecken. Ohnehin wäre es ihm

Weitere Kostenlose Bücher