Die Fuenfzig vom Abendblatt
ziemlich verschieden. Von hundert oft bis zu vierhundert Mark.“
Hm — dann ist der Professor wohl ein verdammt reicher Mann, wie? Hat er ein Auto?“
„Ja, ein Auto hat er schon — aber mit dem Reichtum ist es deswegen doch nicht so wild. Das Geld für die Operationen bekommt zum Beispiel die Klinik.“
„Ach so, ja — zu so einer Operation muß Vater ja in die Klinik. Wie lange muß er dann liegen?“
„Da genügen meist drei bis vier Wochen!“
„Und ein Tag, was kostet ein Tag?“
„Wir haben drei verschiedene Klassen.“
„Wie bei der Eisenbahn, die nur noch zwei hat?“
„Acht Mark — elf Mark und etwa zwanzig Mark-“
„Na, für acht Mark sind die Betten wohl auch nicht schlechter?“
„Die Patienten der ersten Klasse haben ein Zimmer für sich allein. Darin liegt der Unterschied.“
Klaus wollte gerade antworten, daß er darin ja eher einen Nachteil erblicke. Vier Wochen ganz allein zu liegen, müsse doch langweilig sein. Aber da öffnete sich wieder jene schmale Tür, und Professor Hammerstein führte Vater Verhoven über die Schwelle. Augenblicklich war Klaus neben ihm. „Schwester Erika, führen Sie Herrn Verhoven doch bitte zu einem Stuhl. Ich möchte den Jungen noch einen Augenblick sprechen.“
Der Professor hatte sich von dem Blinden bereits verabschiedet und ging in sein Zimmer zurück. Klaus war nahe der Tür stehengeblieben, als er diese hinter sich geschlossen hatte. Auch der Arzt setzte sich nicht. Er stand am Fenster und schaute eine Weile schweigend in den Park hinunter. Dann wandte er sich um, ging auf den Jungen zu. Als er jetzt vor ihm stand, legte er ihm beide Hände auf die Schultern.
„Klaus — so heißt du doch? — Hm — also Klaus — ich könnte dir jetzt irgendein Märchen erzählen, wie man es Kindern erzählt. Und eigentlich bist du ja auch noch ein Kind — aber nur dem Alter nach. An dem, was du deinem Vater bedeutest und was du bereits für ihn getan hast, sehe ich, daß du schon ziemlich erwachsen bist. Ich sage dir also die Wahrheit, weil es immer noch am besten ist, nicht angelogen zu werden.“ Klaus stand wie erstarrt.
Jetzt ist alles aus. Warum macht er nur so viele Worte! Er soll es kurz machen und schnell. Wenn es schon sein muß.
Professor Hammerstein sah die schreckliche Furcht in dem schmalen Gesicht, das plötzlich ganz blaß geworden war. Noch einmal schwankte er eine Sekunde, ob er diesem Jungen wirklich die volle, harte Wahrheit sagen sollte. Aber was nützte ein Hinhalten? Das wäre nur ein Verlängern des Schmerzes. Professor Hammerstein war Chirurg, und wenn es nötig war, operierte er eben, möglichst schnell und sofort.
„Dein Vater bleibt sein ganzes Leben lang blind. Es gibt keine Möglichkeit, ihn wieder sehend zu machen. Jede Operation ist sinnlos. Die Augennerven sind tot. Beide-“
Klaus stand wie leblos, ohne jede Bewegung.
Er hörte die nächsten Worte des Arztes nur noch wie aus weiter Feme.
„Ich habe deinem Vater das alles nicht gesagt — ich habe ihm nicht irgendwelche Hoffnungen gemacht. Ich sagte nur, daß wir warten müssen-“
„Ich danke Ihnen sehr, Herr Professor. Mein Vater und ich sind Ihnen zu großem Dank verpflichtet. Was die Rechnung betrifft, so wollen Sie bitte so-“
Das kam aus dem Jungen heraus wie aus einem Automaten. Mechanisch, selbstverständlich und gefühllos. Irgend jemand hatte einen Groschen in den schmalen Zahlschlitz gesteckt, und nun lief die Maschinerie reibungslos ab.
Aber da hielt ihm der Gelehrte auch schon seine Hand vor den Mund.
„Klaus — was redest du da? Ich bedaure, daß ich deinem Vater und dir nicht helfen kann. Glaube mir, daß ich ihn sofort operiert hätte und daß er ohne einen Pfennig zu bezahlen in meiner Klinik gelegen wäre. Ich kann das nicht für viele tun, aber für ihn und für dich hätte ich es getan. Das hast du wohl gar nicht bemerkt, daß wir in dieser Stunde so etwas wie zwei Freunde geworden sind. He, du?“
Klaus war außerstande, etwas zu erwidern.
Obgleich er wußte, wie bodenlos ungerecht er war — unwillkürlich fühlte er jetzt gegen diesen alten Arzt fast etwas wie Haß in sich aufsteigen. Herrgott, stand da nicht in der Zeitung, daß er „scheinbar Blinde wieder sehend machen könnte?“ Wozu denn dieses Bild in Millionen von Exemplaren — “Dein Vater bleibt blind für sein ganzes Leben!“
Um das zu sagen, brauchte man wirklich nicht Medizinalrat, Professor und Doktor mit fünfzigjähriger Praxis zu sein.
„Ich hoffe, daß
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