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Die Fuenfzig vom Abendblatt

Die Fuenfzig vom Abendblatt

Titel: Die Fuenfzig vom Abendblatt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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zu.
    Die Symphonie begann mit dem vollen Einsatz aller Instrumente. Schon während der Ansprache, die dem Auftritt des ehemaligen Studiengenossen vorangegangen war, hatte Klaus die Erregung seines Vaters gespürt. Jetzt saß der Blinde vorgebeugt und auf seinen Stock gestützt. Sein Gesicht war aufgerichtet und dem Musikpavillon zugewandt, so als ob die toten Augen hinter den dunklen Gläsern doch sehen könnten.
    Klaus hatte seinen Vater noch nie so erregt gesehen. Der Blinde ließ sich im allgemeinen seine Gefühle und Empfindungen nur wenig anmerken, auch dem eigenen Jungen gegenüber. Um so mehr war dieser davon überrascht.
    Erst als der Klang der Instrumente längst verstummt war und die beiden schon wieder über das breite Trottoir der Hafenchaussee gingen, schien der Vater in seine gewohnte Ruhe zurückzufinden. Aber auch jetzt sagte er nur wie nebenbei:
    „Schlecht — wie? Eine schlechte Musik, findest du nicht auch, Klaus?“
    Und nach ein paar weiteren Schritten:
    „Er hat nichts gelernt. Er hat auch im Ausland nichts dazugelernt. Es ist verwunderlich, daß die Menschen sich das ruhig anhören, daß die Philharmoniker so etwas spielen Jetzt blieb er mitten auf dem Trottoir stehen.
    „War es nicht bodenlos schlecht? — Oder hat mich die Erinnerung, von der ich dir erzählte, so ungerecht gemacht, daß ich nicht mehr beurteilen kann, was gut und was schlecht ist? Sag, war es nicht nur ein Durcheinander von Instrumenten und ein Gedränge von Fortissimos? Ein Gedränge wie auf einem Volksfest?“
    Klaus wußte nicht recht, was er sagen sollte.
    „Immerhin, die Philharmoniker. Und am kommenden Sonntag gibt er ein ganzes Konzert im Unionshaus —“
    „Gut. Ja — aber hast du denn irgend etwas gefühlt bei dieser Musik? War es nicht nur ein einziger riesiger Lärm? Dieser Lärm muß doch deinen Ohren weh getan haben!“
    „Mal abwarten, was die Zeitungen schreiben. Du weißt, ich habe noch kein richtiges eigenes Urteil Der Blinde ging weiter.
    „Aha, wenn die Zeitungen sagen, daß dieser Peter von Bertelmann ein neues Genie sei, dann ist es auch so, und weil seine Musik von den Philharmonikern gespielt wird, muß sie gut sein. Trotzdem wage ich zu behaupten, daß jede von meinen Serenaden mit mehr Recht gespielt würde-“
    Klaus wollte gerade antworten, da sah er plötzlich acht oder zehn Jungen in roten Pullovern auf ihren Fahrrädern die Hafenchaussee herunterkommen. Er überlegte blitzartig, was zu tun sei. Es reichte gerade noch für ein paar schnelle Worte zu seinem Vater — und dann stoppte Alibaba auch schon. Er kam mit den anderen wohl gerade vom Sportplatz zurück.
    „Sieh mal an! Heult uns was von Familienpflichten vor und spaziert dann hundsgemütlich auf die Hafenchaussee Der Boß der Abendblatt-Jungen schien dem Blinden, der ein paar Schritte abseits stand, weiter keine Beachtung zu schenken.
    „Aber daß du es weißt, du startest am Sonntag in der Mannschaft. Wie war es, als acht oder neun?!“
    Brille zog bei dieser Frage seine Liste aus der Tasche und schaute nach. Dabei hatte sich Sam mit seinem Rad an Alibaba vorbei dichter an Klaus herangeschoben. Er fragte verstohlen, ob der Mann, der da drüben stand, sein Vater sei. Er wußte als einziger von den Jungen, daß der Vater von Klaus blind war. Sam war immer ziemlich neugierig.
    Jetzt mußte Klaus Farbe bekennen.
    „Das hättest du mir auch früher sagen können“, maulte jetzt Alibaba. Er hatte Sams Frage gehört und zog seine Mütze.
    „Guten Tag, Herr Verhoven!“
    Auch der Blinde griff nach seinem Hut. Aber er streckte dabei wie hilfesuchend seine linke Hand aus.
    „Willst du mich bitte bekannt machen, Klaus?“
    Und nun fühlte Klaus, wie er plötzlich rot anlief. Er hatte es bis jetzt immer vermieden, seinen Vater der Horde vorzustellen. Nicht daß er gefürchtet hätte, man würde sich über ihn lustig machen. Er hätte sich schon zur Wehr gesetzt. Aber wenn sie seinen Vater beleidigt hätten — er wußte doch, wie ungerecht und hart Jungen in diesem Alter zuweilen sein können. Ihre Väter waren vermutlich alle gesund und hatten ihren Beruf.
    Jetzt hatte der Zufall die Horde mit seinem Vater zusammengeführt. Klaus wäre bereit gewesen, jeden niederzuschlagen, der es gewagt hätte, den Blinden zu verletzen.
    „Das hier ist Alibaba — das Sam — Harald — Werner — Erwin Kogge, genannt Casanova — Fritz Iwers — Brille — “
    Jetzt erst, als der Vater von Klaus seine Hand irgendwohin den Jungen entgegenhielt,

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