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Die Fuenfzig vom Abendblatt

Die Fuenfzig vom Abendblatt

Titel: Die Fuenfzig vom Abendblatt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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diese Komödie mit dem Wohnen im Dachgeschoß eines Mietshauses und so weiter für ihren Jungen wirklich notwendig sei, in diesem Augenblick etwa stoppte Harald bereits sein Fahrrad vor dem Tor des Lunaparks und fing an, die bunte Zeltstadt ganz mit dem Auge eines Reporters in Augenschein zu nehmen.
    Selbst sein Gang hatte dabei nichts mehr von der unbekümmerten Selbstverständlichkeit der übrigen Besucher, die sich wahllos über die Wege und die kleinen Plätze treiben ließen, so wie es eben Menschen tun, die nichts als fröhlich und unterhalten sein wollen. Er, Harald Madelung, war nicht zum Vergnügen gekommen. Er hatte seinen klaren, eindeutigen Auftrag. Er war sozusagen im Dienst.
    Chefredakteur Sprinter sollte hochgehen vor Staunen. So wie drüben der „Lukas“, den gerade ein kleiner dicker Mann mit einem riesigen Holzhammer zum Knallen brachte.
    Harald hielt sich außerhalb des allgemeinen Trubels. Die Orgeln der Karussells, das Schreien der Schaubuden-Besitzer und die Blechmusik der Bierzelte drangen kaum in sein Bewußtsein. Als er die Schaubude der „schwebenden Jungfrau“ besuchte, in der unter anderem auch noch das Durchsägen eines lebenden Menschen mittels einer Kreissäge gezeigt wurde, schaute der Junge mit keinem Auge zur Bühne. Vielmehr blickte er unverwandt in die zuweilen beinahe fassungslosen Gesichter des Publikums, dessen Mienen ihn allein zu interessieren schienen. Obgleich er doch der Darbietungen auf dem Podium wegen an der Kasse seine halbe Mark Eintrittsgeld bezahlt hatte.
    Im übrigen machte er sich selbstverständlich zuweilen seine Notizen. Da war es ihm gar nicht so peinlich, wenn man dessentwegen aufmerksam wurde. Die Leute der Presse hatten ja schließlich nicht geklaut, und sie brauchten sich also auch nicht zu verstecken. Bei größeren Veranstaltungen bekamen die Zeitungsreporter sogar deutlich beschriftete Armbinden, damit sie ungestört arbeiten konnten. Ehrlich gesagt, Harald bedauerte es ein wenig, daß man bei der Eröffnung des Lunaparks an solchen Armbinden offensichtlich gespart hatte---
    Aber nach einer Stunde kam dann auch für Harald der Augenblick, da er den eigentlichen Zweck seines Besuches ganz vergaß. Endlich hörte auch er die Orgeln der Karussells wieder mit voller Lautstärke. Er stand jetzt vor dem offenen Rund einer kleinen Manege. Bei den Liliputanern, die zuerst auftraten, war er allerdings noch ganz der kritische Vertreter des Abendblattes. Das änderte sich auch nicht, als sich dann zwei Clowns gegenseitig mit faulen Äpfeln bewarfen und mit Wasser übergossen. An dieser Stelle wollte sich Harald bereits wieder mit hochgezogenen Augenbrauen zum nächsten Zelt entfernen, in dem ein Riesenweib zu sehen war. Doch da wurden die beiden wasserübergossenen Hanswurste von einem Paar junger Artisten abgelöst, das in weißen Trikots die kleine Manege betrat. Es hätte nicht der Ankündigung „Die beiden Remos“ bedurft. Harald hatte die beiden Geschwister sofort erkannt und blieb wie angewurzelt stehen.
    Auch dieses Mal war er von der Darbietung der beiden Artisten genauso gefesselt wie am Abend im leeren Zelt des Zirkus Bertoldi. Und auch die Menschen, die neben und hinter ihm standen, sparten nicht mit Beifall. Doch stärker als die Spannung, die ihn bei der Leistung der beiden jungen Menschen erneut erfaßt hatte, war das Interesse an der Frage, wie und weshalb die beiden Remos wohl hierher gekommen waren. Daß sie sich dabei verschlechtert hatten, lag auf der Hand. „Bertoldi“ war der größte Zirkus und stadtbekannt. Dieses Unternehmen hier schien nur für den Zweck des augenblicklichen Tingeltangels eröffnet zu sein. Es hatte weder ein festes Zelt noch Sitzplätze, und selbst Eintrittskarten wurden nicht ausgegeben. Lediglich zwei ziemlich abgehärmte Gestalten drängten sich von Zeit zu Zeit mir ihren Tellern durch die umherstehenden Menschen und baten um ein Trinkgeld.
    „Ganz nach Belieben!“ antworteten sie, wenn man sie fragte, was zu bezahlen sei.
    Als die Nummer der „Zwei Remos“ zu Ende war und bereits wieder die beiden unausstehlichen Clowns in die Manege torkelten, hatte Harald sich fest vorgenommen, auf irgendeine Art diese jungen Menschen kennenzulernen. Er mußte erfahren, wieso die beiden nicht mehr bei Bertoldi waren. Mit dem Hinweis, er komme vom Abendblatt und bitte um ein Interview, würde es wohl möglich sein, Zutritt zu finden.
    Aber was sollte er antworten, wenn jemand auf den Gedanken kam, nach einem Ausweis zu

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