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Die Fuenfzig vom Abendblatt

Die Fuenfzig vom Abendblatt

Titel: Die Fuenfzig vom Abendblatt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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woher Bulle Haralds Gesicht kannte. Jetzt war es vielleicht doch wohl besser, etwas zu sagen.
    „Der ist erst seit zwei oder drei Tagen bei uns — ich bin übrigens auch neu — “
    „Sieh mal an — dann bist du ja noch ein Greenhorn! Zwei, drei Tage und dann schon Differenzen — da wirste wohl deine goldene Hochzeit auch nicht beim Abendblatt feiern. Ich rieche Schwierigkeiten, mein Sohn Bulle schnupperte in die Luft, als ob es da wirklich etwas zu riechen gäbe.
    „Wir kriegen heute noch Regen — da hinten die Wolken überm Güterbahnhof, die gefallen mir nicht

Ein Platzkonzert mit Überraschungen

    Die paar Mark, die Vater Verhoven bei den Automobilwerken Rasmussen wöchentlich verdiente, und auch der Inhalt der Lohntüte, die Klaus vom Abendblatt jeden Freitagabend nach Hause brachte, reichten, nachdem das Essen bezahlt war, am jeweiligen Monatsende gerade noch für die Miete, die Lichtrechnung und für den Gasmann. An die Anschaffung irgendwelcher Kleidungsstücke oder auch nur ihre Ergänzung war nicht zu denken. Schon die vielleicht einmal notwendig werdende Beschaffung irgendwelcher Medikamente oder gar die Rechnung eines Arztes hing ständig wie eine Gewitterwolke über der Tür des Dachgeschosses in der Berlitzstraße 47.
    Bei dieser Lage der Dinge war es also geradezu ein Bravourstück gewesen, als es Klaus kürzlich gewagt hatte, zum Geburtstag seines Vaters zwei Karten für das Philharmonische Orchester zu kaufen. Freilich, sie hatten Seite an Seite nur in der hinteren Reihe des zweiten Ranges gesessen.
    Trotzdem hatte Klaus an diesem Abend gespürt, wie wichtig das Erlebnis für seinen Vater gewesen war. Es schien fast so, als habe er für ein paar Stunden seine Blindheit vergessen können. Leider ließen sich solche Besuche nicht oft wiederholen. Vorerst war man noch auf die kostenlosen Konzerte angewiesen.
    An jedem zweiten Sonntag im Monat konzertierte das Philharmonische Orchester nämlich im Stadtpark öffentlich und kostenlos. Und ein solcher Sonntag war heute. Deshalb hatte Klaus Verhoven beim Ausscheidungstraining gebeten, mit der ersten Gruppe starten zu dürfen. Das Konzert begann um elf Uhr. Er mußte fast eine Stunde für den Weg rechnen. Zudem wollte er möglichst vor Beginn an Ort und Stelle sein. Klaus und sein Vater konnten dann noch auf einer der Bänke einen Sitzplatz finden.
    Der Junge hatte sich eines der Programme besorgt und las jetzt seinem Vater vor, was man zu erwarten habe: Tschaikowskij, Beethoven, Haydn und — ein Werk von Bertelmann. „Die erste Symphonie“ des neuen Komponisten, wie ein Zusatz auf dem Programm besagte.
    „Peter von Bertelmann?“
    „Kennst du ihn?“
    „Wenn es der gleiche Peter von Bertelmann ist — dann habe ich zusammen mit ihm studiert. Seit damals höre ich zum ersten Mal wieder seinen Namen. Er war regelrecht verschollen. Man sagte, daß er ins Ausland gegangen sei — “
    „Eine eigene Symphonie — vom Philharmonischen Orchester gespielt — , das ist schon was! Wenn es wirklich der gleiche Bertelmann ist, dann war er wohl damals schon so eine Art Musterexemplar?“
    Der Blinde lächelte. „Eben nicht — das ist es ja „Aber du weißt doch, viele waren geradezu schlechte Schüler, und dann nachher im Leben hatten sie doch Erfolg Der Blinde beugte sich jetzt etwas nach vorne und zeichnete mit der Spitze seines Stockes Figuren in den Sand.
    ,mag sein — schlechte Schulzeugnisse besagen noch nichts über gewisse Spezialtalente eines Menschen. Aber dieser Fall Bertelmann liegt etwas anders. Auf der Musikhochschule sind ja die Forderungen nicht mehr allgemein. Da geht es ja nur um Musik. Wer da studiert, kommt ja, weil er auf diesem .Spezialgebiet Musik’ besondere Begabungen und Talente hat oder haben sollte — “Und war dieser Peter von Bertelmann unbegabt?“
    Begabung ist nicht greifbar — . Man hat sie, oder man hat sie nicht. Aber ein Mensch, der Musik nicht nur spielen, sondern sie sogar selbst schaffen will, braucht neben einem guten Gehör vor allem Herz und ein großes Gefühl. Letzteres hatte Bertelmann nicht. Wenigstens damals noch nicht — das konnte er nicht haben! Sonst hätte er sich anders benommen Vater Verhoven schwieg eine Weile.
    „Ja — das ist mehr als zwanzig Jahre her. Bertelmann war von uns allen am besten gestellt. Seine Eltern hatten ein großes Gut irgendwo im Osten.“
    „Und natürlich seid ihr alle ein wenig neidisch auf ihn gewesen?“
    „Mehr als wir ihn beneideten, imponierte er uns.

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