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Die Fuenfzig vom Abendblatt

Die Fuenfzig vom Abendblatt

Titel: Die Fuenfzig vom Abendblatt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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Bertelmann war nämlich nicht geizig. Oft gab er Gesellschaften, zu denen er uns und auch die Professoren einlud. Es hieß damals schon, er hätte sich einen Teil dieser Professoren mit seinem Geld bereits gekauft, bevor er an die Schule kam, damit er überhaupt die Aufnahmeprüfung bestand---“
    Vater Verhoven beugte sich noch mehr nach vorn.
    „Es war gegen Ende unserer Studienzeit, kurz vor dem Schlußexamen. Wir waren in verschiedene Gruppen eingeteilt. Wir mußten für die Abschlußprüfung eine eigene Komposition vorlegen. Ich hatte damals gerade meinen Serenadensatz geschrieben und damit den Schulpreis bekommen. Deshalb wohl wandte sich Bertelmann gerade an mich. Er wußte zudem, daß es mir finanziell nicht gut ging. Ich trug während des letzten Semesters noch denselben Anzug, in dem ich auch meine Aufnahmeprüfung abgelegt hatte Klaus horchte gespannt zu.
    „Fünfhundert Mark waren viel Geld für mich. Sie sollten mir nach Abschluß meiner Prüfung einige Monate freier Arbeit ermöglichen. Ich komponierte ihm eine Fuge, die er dann abschrieb und unter seinem Namen einreichte. Mit ihr bestand er die Prüfung. Man sah ihm dieser Arbeit wegen manches nach, was beim mündlichen Examen mangelhaft gewesen war —“
    Im Musikpavillon hatten jetzt die Musiker des Philharmonischen Orchesters Platz genommen. Notenblätter wurden ausgeteilt.
    „-Am Abend nach der Prüfung hatte Bertelmann wieder einmal eine Einladung arrangiert. Diesmal zur Feier des bestandenen Examens. Zu etwas vorgerückter Stunde sprang er plötzlich auf und erhob sein Glas. ,Auf Verhoven, das Genie unseres Jahrgangs, die Zierde unserer Schule, die Freude unserer Professoren!“ Man kam allgemein seinem Trinkspruch nach. Ich mußte mich erheben und habe bestimmt einen sehr bedauernswerten Eindruck gemacht —“
    „Dabei hätte ich dich gern gesehen!“
    Ich wollte mich gerade wieder setzen, da warf mir Bertelmann über den Tisch hinweg die fünfhundert Mark zu. Einer der Scheine fiel dabei in ein Weinglas, das vor mir stand. Es war das mir versprochene Geld. Allein der Hundertmarkschein, der damals in meinem Weinglas schwamm, hätte für mich gereicht, um meine begonnene Symphonie in Ruhe zu Ende schreiben zu können, ohne nebenher durch Unterricht und Instrumentieren meinen Lebensunterhalt verdienen zu müssen. Ich muß bleich wie ein Stück Notenpapier gewesen sein. Ich stand wortlos auf, ging zur Garderobe, nahm Hut und Mantel. Wie ich andern Tags erfuhr, waren nach mir sofort auch die übrigen Gäste aufgebrochen. Von Bertelmann aber sah und hörte man nichts mehr. Es hieß, daß er kurz nach diesem Vorfall die Stadt verlassen hätte und später irgendwohin ins Ausland gereist sei.“
    Drüben hatte jetzt der Dirigent des Orchesters sein Podium betreten. Einen kurzen Augenblick schaute er in die vor ihm liegende Partitur, dann hob er den Taktstock.
    Kaum hundert Meter von hier fuhren Straßenbahnen, Autos und Omnibusse. Dicht über den grünen Kronen der Bäume warben riesige, schreiende Plakate für Zahnpasten und eine besondere Sorte von Salatöl. Aber von den Straßenbahnen war jetzt nichts mehr zu hören, und die riesigen Plakate waren einfach nicht mehr da. Der Platz rund um den Musikpavillon war plötzlich aus dem Park herausgelöst wie eine Insel, Und alles war überstrahlt von der Sonne, die durch das Laub der Bäume in vielen großen und kleinen Lichtflecken auf die Menschen, den Rasen und die Wege fiel.
    Nach einer kleinen Pause wandte sich der Dirigent des Orchesters mit einigen erklärenden Worten an die Zuhörer. Die Philharmoniker hätten nunmehr die Ehre, so führte er aus, im Rahmen dieser Sonntagskonzerte das Werk eines bisher öffentlich noch nicht gespielten Komponisten erstmalig vorzutragen. Peter von Bertelmann, der erst vor kurzem aus Portugal wieder in seine Heimatstadt zurückgekehrt sei, würde übrigens bald mit seinen Kompositionen im Unionshaus erstmalig vor die Öffentlichkeit treten. Seine Symphonie, die er nunmehr persönlich dirigieren würde, sollte sozusagen eine Ankündigung dieses Konzertes sein.
    Als daraufhin ein hochgewachsener, schlanker Mensch in gutsitzendem Frack das Dirigentenpult betrat, wurde er von den Musikern mit dem Geklapper ihrer Instrumente empfangen, und auch das Publikum begrüßte ihn mit freundlichem Applaus.
    Peter von Bertelmann verneigte sich mit einem verbindlichen Lächeln. Seine linke Hand griff dabei an die makellos gebundene Krawatte. Dann wandte er sich dem Orchester

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