Die Furcht des Weisen / Band 1
hatte, war ihr nicht mehr anzusehen, und ihre Augen strahlten. Sie legte mir eine kühle Hand aufs Gesicht. »Mach die Augen zu«, sagte sie. »Es ist eine Überraschung.«
Ich schloss die Augen, und sie führte mich an der Hand in das Geschäft hinein. Der Raum war schummrig beleuchtet, und es duftete |340| nach Leder. Ich hörte einen Mann sagen: »Das ist er?«, und dann wurden irgendwelche Dinge hin und her geschoben.
»Bist du bereit?«, flüsterte mir Denna ins Ohr. Ich hörte, dass sie lächelte, und ihr Atem kitzelte mich ein wenig.
»Das weiß ich nicht«, sagte ich ganz aufrichtig.
Ich spürte den Atem des Lachens, das sie zurückhielt, an meinem Ohr. »Also gut. Jetzt darfst du die Augen wieder aufmachen.«
Als ich die Augen öffnete, sah ich einen älteren Mann hinter einem langen Ladentresen stehen. Aufgeschlagen wie ein Buch lag vor ihm auf dem Tresen ein leerer Lautenkasten. Denna hatte ein Geschenk für mich gekauft. Ein neuer Kasten für meine Laute. Für die Laute, dir mir gestohlen worden war.
Ich trat näher heran. Der Kasten war schlank und mit glattem, schwarzem Leder bezogen. Er hatte keine Scharniere. Stattdessen waren rings um den Rand sieben blanke Stahlverschlüsse angebracht, so dass sich das Oberteil wie ein Deckel abnehmen ließ.
Das Innere war mit Samt gefüttert. Ich berührte den Stoff, und das Futter war weich, aber auch elastisch, wie ein Schwamm. Das Samtgewebe war fast fingerdick und dunkelburgunderrot.
Der Mann hinter dem Tresen lächelte. »Die Dame hat Geschmack«, sagte er. »Und sie weiß, was sie will.«
Er hob den Deckel an. »Das Leder ist eingefettet und gewachst. Es ist doppellagig, und das Gerippe darunter ist aus einem speziellen Ahornholz.« Er fuhr mit einem Finger an der unteren Kastenhälfte entlang und wies dann auf die entsprechende Nut in der oberen Hälfte. »Der Kasten schließt absolut luftdicht. Man muss sich also keine Sorgen machen, wenn man ihn von einem feuchtwarmen Raum in die eiskalte Nacht hinaus trägt.«
Nun ließ er die Verschlüsse nacheinander zuschnappen. »Die Dame wollte kein Messing. Ich habe daher Edelstahl verwendet. Wenn die Verschlüsse zu sind, liegt das Oberteil auf einer Dichtung auf. Man könnte den Kasten also in einen Fluss werfen, und auch wenn er untertauchen würde, bliebe das Samtfutter innendrin knochentrocken.« Er zuckte die Achseln. »Irgendwann würde das Leder natürlich durchweichen. Aber dagegen ist kein Kraut gewachsen.«
|341| Er drehte den Kasten um und klopfte auf den abgerundeten Boden. »Das Ahorngerippe ist recht dünn gehalten, damit es nicht aufträgt und auch nicht zu schwer wird, und ich habe es an einigen Stellen mit Bändern aus Glantzstahl verstärkt.« Er deutete auf Denna, die grinste. »Die Dame wollte eigentlich Ramstonstahl, aber ich habe ihr erklärt, dass Ramstonstahl zwar sehr hart, aber auch recht spröde ist. Glantzstahl ist leichter und formstabiler.«
Er musterte mich. »Ihr könntet Euch auf den Deckel stellen, und der Kasten würde nicht eindrücken.« Er schürzte ein wenig die Lippen und blickte zu meinen Füßen hinab. »Aber mir wär’s lieber, wenn Ihr das nicht tun würdet.«
Dann drehte er den Kasten wieder auf die richtige Seite. »Ich muss sagen, das ist möglicherweise der beste Lautenkasten, den ich in den letzten zwanzig Jahren gebaut habe.« Er schob ihn mir über den Tresen entgegen. »Ich hoffe, Ihr werdet damit zufrieden sein.«
Etwas sehr Seltenes geschah: Ich war sprachlos. Ich streckte eine Hand aus und strich über das Leder. Es war glatt und fühlte sich warm an. Ich berührte die Stahlringe, die zur Befestigung des Schulterriemens gedacht waren. Dann sah ich zu Denna hinüber, die vor Freude geradezu tänzelte.
Sie trat zu mir. »Das ist das Beste«, sagte sie und öffnete die Verschlüsse mit einer Leichtigkeit, der man ansah, dass sie das nicht zum ersten Mal machte. Sie nahm die Oberseite ab und betastete das Innere mit den Fingerspitzen. »Das Futter lässt sich herausnehmen und austauschen. In diesen Kasten passt also auch jede Laute, die du künftig mal besitzen wirst. Und schau mal!« Sie drückte in der Mulde für den Lautenhals zwei Finger in den Samt und drehte sie um. Ein kleiner Deckel löste sich, und darunter kam ein verborgenes Fach zum Vorschein. Ein Lächeln ging über Dennas Gesicht. »Das war auch meine Idee. Ein Geheimfach.«
»Um Gottes willen, Denna«, sagte ich. »Das muss dich doch ein Vermögen gekostet haben.«
»Na ja«, sagte
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