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Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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bedeuten? Wenn ich im Veranstaltungsverzeichnis nachsehe, steht es dann da unter ›Der Titel des Seminars‹?«
    Darauf wusste ich keine Antwort, und nun kamen wir schnell dahin, einander Anekdoten über Elodin zu erzählen. Fela berichtete, ein Schreiber habe ihn nackt in der Uni-Bibliothek ertappt. Ich wiederum hatte gehört, dass er einmal eine ganze Spanne lang mit verbundenen Augen auf dem Campus herumgelaufen sei. Fela wusste |47| zu erzählen, dass er eine komplett neue Sprache erfunden habe. Und ich hatte aufgeschnappt, dass er in einer Spelunke eine Schlägerei vom Zaun gebrochen hätte, weil jemand darauf bestand, »evozieren« statt »hervorrufen« zu sagen.
    »Das hab ich auch gehört«, sagte Fela und lachte. »Bloß dass es im GOLDENEN ROSS war und ein Baronet einfach nicht aufhören wollte, das Wort ›überdies‹ zu gebrauchen.«
    Ehe ich mich versah, waren wir am Anfang der Schlange angelangt. »Kvothe, Sohn des Arliden«, sagte ich. Die gelangweilt blickende Frau hakte meinen Namen auf einer Liste ab, und ich zog ein glattes, elfenbeinfarbenes Plättchen aus dem schwarzen Samtbeutel. Darauf stand: »FELLING, 12 UHR MITTAGS.« Der achte Tag der Zulassungsprüfungen. Da blieb mir viel Zeit, mich vorzubereiten.
    Fela zog ebenfalls ihr Plättchen, und dann gingen wir weiter.
    »Was steht bei dir?«, fragte ich.
    Sie zeigte es mir. Cendling, vier Uhr nachmittags.
    Das war einer der spätesten Termine, die überhaupt vergeben wurden. »Toll! Glückwunsch!«
    Fela zuckte die Achseln und steckte das Plättchen ein. »Mir ist das egal. Ich büffele sowieso nicht groß. Je mehr ich mich vorbereite, desto schlechter schneide ich ab. Das macht mich nur nervös.«
    »Dann solltest du mit jemandem tauschen«, sagte ich und wies auf die Scharen der herumstehenden Studenten. »Für diesen Termin würde dir bestimmt jemand ein ganzes Talent bezahlen. Wenn nicht gar mehr.«
    »Feilschen ist aber auch nicht so mein Ding«, sagte sie. »Ich gehe einfach davon aus, dass der Termin, den ich gezogen habe, mein Glückstermin ist, und bleibe dabei.«
    Nachdem wir aus der Schlange heraus waren, hatten wir eigentlich keinen Grund mehr, beieinander zu bleiben. Doch ich genoss ihre Gesellschaft, und sie schien es auch nicht allzu eilig zu haben, von dort fortzukommen, und so schlenderten wir zusammen ziellos über den Hof.
    »Ich habe einen Mordshunger«, sagte Fela mit einem Mal. »Sollen wir nicht irgendwo was zu Mittag essen?«
    |48| Ich war mir der Leichtigkeit meines Geldbeutels schmerzlich bewusst. Wäre ich nur noch ein klein wenig ärmer gewesen, so hätte ich ein paar Steinchen hineintun müssen, damit der Beutel nicht im Winde flatterte. Im ANKER’S bekam ich meine Mahlzeiten gratis, weil ich dort Musik machte. Anderswo Geld für Essen auszugeben wäre also, zumal so kurz vor den Zulassungsprüfungen, absoluter Blödsinn gewesen.
    »Liebend gern«, sagte ich aufrichtig. Und dann log ich: »Aber ich sollte mich hier noch ein wenig umtun, ob nicht jemand seinen Termin mit mir tauschen will. Ich feilsche nämlich gern, schon von Kindesbeinen an.«
    Fela griff in ihre Tasche. »Wenn du mehr Zeit brauchst, kannst du gern meinen Termin haben.«
    Ich sah mir das Plättchen an, das sie zwischen Daumen und Zeigefinger hielt, und geriet mächtig in Versuchung. Zwei zusätzliche Tage zur Vorbereitung wären ein Geschenk des Himmels gewesen. Oder ich hätte mit dem Termin ein Talent verdienen können. Vielleicht gar zwei.
    »Ich würde dir doch nie deinen Glückstermin wegnehmen. Und außerdem bist du schon viel zu großzügig zu mir gewesen«, sagte ich lächelnd und zog mir den Umhang enger um die Schultern.
    Fela lächelte ebenfalls und fuhr mit den Fingerknöcheln über den Umhangstoff. »Freut mich, dass er dir gefällt. Aber wie ich es empfinde, bin ich dir immer noch was schuldig.« Sie biss sich nervös auf die Lippen und ließ dann die Hand sinken. »Versprich mir, dass du mir Bescheid sagst, falls du’s dir anders überlegst.«
    »Versprochen.«
    Sie lächelte noch einmal, hob zum Abschied die Hand und ging über den Hof davon. Der Anblick, wie sie durch die Menschenmenge schlenderte, hatte etwas davon, wie sich der Wind über die Oberfläche eines Teichs bewegt. Statt der Kräuselungen des Wassers wandten junge Männer unisono den Kopf, um sie vorübergehen zu sehen.
    Ich sah ihr immer noch nach, als Wilem zu mir trat. »Bist du jetzt fertig mit Flirten?«, fragte er.
    »Ich hab nicht geflirtet.«
    |49| »Das

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