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Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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schon. Wegen dem Feuer und so.«
    »Tut mir leid, das zu hören«, sagte ich. Jaxim war ebenso Re’lar wie ich. Es stand ihm daher frei, beliebig viele eigene Projekte zu verfolgen. Dass er zu einer niederen Tätigkeit wie dieser gezwungen wurde, war nicht nur langweilig für ihn, sondern demütigte ihn auch in aller Öffentlichkeit, kostete ihn gleichzeitig Geld und verzögerte sein Studium. Es war eine bemerkenswert gründliche Art der Bestrafung.
    »Woran fehlt es uns denn?«, fragte ich.
    Es war eine Kunst für sich, im Handwerkszentrum die richtigen Projekte zu wählen. Selbst wenn man die hellste Sympathielampe oder den wirksamsten Hitzeschlucker aller Zeiten baute – solange es niemand kaufte, erhielt man keinen müden Penny Provision.
    Für die meisten meiner Kollegen war das kein Problem. Sie konnten es sich leisten, auf Kundschaft zu warten. Ich aber brauchte etwas, das sich schnell zu Geld machen ließ.
    Jaxim lehnte sich auf den Tresen zwischen uns. »Caravan hat gerade alle unsere Decksleuchten aufgekauft«, sagte er. »Jetzt haben wir nur noch die eine hässliche von Veston übrig.«
    Ich nickte. Sympathielampen waren ideal für den Einsatz auf Schiffen. Sie waren sehr bruchsicher, langfristig preiswerter als Öllampen, und es ging keine Brandgefahr von ihnen aus.
    |53| Ich überschlug es im Kopf. Wenn ich gleich zwei Leuchten herstellte, konnte ich viel Zeit sparen, indem ich doppelte Arbeiten vermied, und ziemlich sicher sein, dass sie verkauft waren, ehe meine Studiengebühren fällig wurden.
    Dummerweise jedoch waren Decksleuchten die reine Plackerei. Vierzig Stunden äußerst sorgfältige Arbeit, und wenn mir auch nur der kleinste Fehler unterlief, würden die Leuchten nicht funktionieren. Dann hätte ich nach all den Mühen nichts vorzuweisen – und dazu auch noch Schulden am Hals für das vergeudete Material.
    Dennoch blieb mir nicht viel anderes übrig. »Na, dann baue ich doch ein paar Leuchten«, sagte ich.
    Jaxim nickte und schlug sein großes Hauptbuch auf. Ich listete auf, was ich alles brauchte. »Zwanzig mittlere Roh-Emitter. Zwei von den großen Gussformen. Einen Griffel mit Diamantnadel. Ein Tenten-Glas. Zwei mittelgroße Schmelztiegel. Vier Unzen Zinn. Sechs Unzen Feinstahl. Zwei Unzen Nickel …«
    Jaxim nickte vor sich hin und schrieb alles in sein Buch.

    Acht Stunden später schritt ich durch die Eingangstür des ANKER’S. Ich roch nach heißer Bronze, Teer und Kohlenrauch. Es war schon fast Mitternacht, und im Schankraum saß nur noch eine Handvoll hartnäckiger Zecher.
    »Du siehst mitgenommen aus«, sagte Anker, als ich an den Tresen kam.
    »So fühl ich mich auch«, erwiderte ich. »Es gibt wohl nichts mehr zu essen, oder?«
    Er schüttelte den Kopf. »Die Leute hatten heute Abend großen Appetit. Ich hab noch ein paar kalte Kartoffeln, die ich morgen in die Suppe tun wollte. Und einen halben gebackenen Kürbis, glaube ich.«
    »Nehme ich«, sagte ich. »Aber ein bisschen gesalzene Butter dazu wäre nett.«
    Er nickte und ging in Richtung Küche.
    »Das brauchst du aber nicht extra warm machen«, sagte ich. »Ich nehm’s einfach nur mit aufs Zimmer.«
    |54| Er brachte mir eine Schüssel mit drei schönen großen Kartoffeln und einem halben, glockenförmigen Goldkürbis darin. In seiner Mitte, wo die Samen herausgelöffelt waren, saß ein großzügiger Klacks Butter.
    »Ich nehme auch noch eine Flasche Bredon-Bier«, sagte ich. »Und bitte nicht aufmachen. Nicht dass es auf die Treppe tropft.«
    Es waren drei Treppen hoch zu meiner Kammer. Nachdem ich dort die Tür hinter mir geschlossen hatte, drehte ich den Kürbis vorsichtig in der Schüssel um, legte das Bier oben drauf, verpackte das Ganze in einem Stück Sackleinen und schnürte es zu einem Päckchen, das ich unter dem Arm tragen konnte.
    Dann öffnete ich mein Fenster und stieg aufs Dach des Wirtshauses hinaus. Von dort war es nur ein kleiner Sprung zu der Bäckerei auf der anderen Seite der Gasse.
    Ein Scheibchen Mond hing tief am Firmament und spendete genug Licht, dass ich sehen konnte, ohne mich exponiert zu fühlen. Nicht dass ich mir da Sorgen machte. Es war fast Mitternacht, und auf den Straßen war es still. Außerdem blicken Menschen nur erstaunlich selten nach oben.
    Auri saß auf einem breiten Ziegelschornstein und wartete schon auf mich. Sie trug das Kleid, das ich ihr gekauft hatte, und baumelte mit den bloßen Füßen, während sie zum Sternenhimmel emporsah. Ihr Haar war so fein, dass es wie eine Wolke

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