Die Furcht des Weisen / Band 1
dass sie das schönste Mädchen im ganzen Commonwealth ist. Und jetzt ist sie auch noch Modeganerin.«
»Meinetwegen das schönste Mädchen drüben auf ihrer Seite des Flusses«, sagte ich. »Aber auf dieser Seite gibt es da auch noch –«
»Du hast uns bereits von deiner Denna vorgeschwärmt«, unterbrach mich Wil. »Schon fünf Mal heute Abend.«
»Hör zu«, sagte Simmon, und er klang mit einem Mal ganz ernst. »Du musst einfach den ersten Schritt tun. Diese Denna ist doch ganz offensichtlich an dir interessiert.«
»Sie hat nie etwas gesagt, das darauf hindeuten würde.«
»Die
sagen
doch auch nie, dass sie interessiert sind«, erwiderte Simmon und lachte angesichts dieser offenbar vollkommen absurden Vorstellung. »Das sind so kleine Spielchen. Das ist wie beim Tanzen.« Er hob die Hände und ließ sie wie Handpuppen miteinander reden. »›Oh, wie schön, dass ich dich hier treffe.‹ ›Ja, hallo, ich wollte gerade Mittag essen gehen.‹ ›Na, was für ein Zufall, ich auch. Komm, ich trage dir die Bücher.‹«
Ich hob eine Hand, um ihn zu unterbrechen. »Können wir bitte gleich zum Schluss dieses Puppentheaters springen, wo du dann schließlich eine Spanne lang in dein Bierglas schluchzst?«
Simmon blickte mich finster an. Wilem lachte.
|398| »Sie hat schon genug Männer, die um sie herumscharwenzeln«, sagte ich. »Die kommen und gehen wie …« Ich suchte krampfhaft nach einem Vergleich, aber es fiel mir keiner ein. »Ich bin lieber nur so mit ihr befreundet.«
»Du wärst lieber richtig mit ihr befreundet«, sagte Wilem in nüchternem Ton. »Du wärst glücklich, wenn sie dich in die Arme schließen würde. Aber du hast Angst, dass sie dich abweisen könnte. Du fürchtest, sie würde dich auslachen, und dann würdest du dastehen wie ein Idiot.« Er zuckte die Achseln. »Du bist nun wirklich nicht der Erste, dem es so ergeht. Das ist nichts, wofür man sich schämen müsste.«
Das kam der Wahrheit unangenehm nahe, und einen Moment lang fiel mir nichts ein, was ich darauf erwidern konnte. »Ja, ich mache mir Hoffnungen«, gestand ich schließlich leise. »Aber ich greife nicht einfach zu. Ich habe gesehen, was mit den Männern passiert ist, die einfach zugegriffen und sich an sie geklammert haben.«
Wilem nickte ernst.
»Sie hat dir diesen Lautenkasten gekauft«, schaltete sich Sim ein. »Das hat doch was zu bedeuten.«
»Aber was?«, erwiderte ich. »Es sieht zwar so aus, als ob sie interessiert wäre – aber was ist, wenn das nur auf Wunschdenken meinerseits beruht? All die anderen Männer haben ja offenbar auch gedacht, dass sie interessiert wäre, und haben sich offensichtlich geirrt. Was ist, wenn auch ich mich irre?«
»Du wirst nie Gewissheit erlangen, wenn du es nicht auf einen Versuch ankommen lässt«, sagte Sim, und seine Stimme hatte einen bitteren Unterton. »Das ist es, was ich normalerweise zu so was sage. Aber weißt du was? Es funktioniert nicht die Bohne. Ich laufe ihnen hinterher, und dann verpassen sie mir einen Tritt, als wäre ich ein Köter, der bei Tisch bettelt. Ich bin es leid, mich dafür so anzustrengen.« Er seufzte, immer noch auf dem Rücken liegend. »Ich will doch einfach nur jemanden, der mich mag.«
»Und ich will einfach nur ein eindeutiges Zeichen«, sagte ich.
»Und ich will einfach nur ein Zauberpferd, das aber auch in meine Hosentasche passt«, sagte Wil. »Und einen Ring aus rotem Bernstein, der mir Macht über Dämonen verleiht. Und immer Kuchen bis zum Abwinken.«
|399| Wieder herrschte einen Moment lang behagliches Schweigen. Der Wind rauschte leise im Wald.
»Man sagt, die Ruh kennen alle Geschichten der Welt«, sagte Simmon nach einer ganzen Weile.
»Ja, das stimmt wahrscheinlich«, erwiderte ich.
»Erzähl uns eine«, sagte er.
Ich sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an.
»Guck nicht so!«, protestierte er. »Ich bin jetzt einfach nur in der Stimmung für eine schöne Geschichte, weiter nichts.«
»Ja, es mangelt hier ein wenig an Unterhaltung«, sagte Wilem.
»Schon gut, schon gut. Lasst mich mal überlegen.« Ich schloss die Augen, und eine Geschichte über die Amyr kam mir in den Sinn. Das war nicht weiter verwunderlich. Ich hatte, seit Nina mich gefunden hatte, ständig an die Amyr denken müssen.
Ich setzte mich aufrecht hin. »Also gut.« Ich atmete tief durch und hielt dann inne. »Wenn ihr pinkeln müsst, dann geht jetzt. Ich lasse mich ungern wegen so was unterbrechen.«
Schweigen.
»Gut.« Ich räusperte mich. »Es
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