Die Furcht des Weisen / Band 1
unsere Getränke und verschwand wortlos wieder.
Meister Dal nahm seinen Tonkelch zur Hand und hielt ihn empor. »Ich trinke darauf, dass wir uns nicht von abergläubischen Leuten auf den Scheiterhaufen bringen lassen«, sagte er.
Ich lächelte trotz meines Unbehagens und hob meinen Holzkrug. »Ein sehr guter Brauch.«
Wir tranken, und Dal seufzte anerkennend, als er den Wein probiert hatte. Dann sah er mich an. »Hast du dir eigentlich schon überlegt, was du machen willst, wenn du hier fertig bist?«, fragte er. »Ich meine: Wenn du dein Gildenabzeichen bekommen hast?«
»Darüber habe ich noch nicht groß nachgedacht«, antwortete ich aufrichtig. »Das ist noch so lange hin.«
»Bei den Fortschritten, die du machst, könnte es aber auch gar nicht mehr so lange dauern. Du bist ja jetzt schon Re’lar. Und das mit … Wie alt bist du noch mal?«
|497| »Siebzehn«, log ich. Ich war empfindlich, was mein Alter anging. Viele Studenten waren schon fast zwanzig, wenn sie an die Uni kamen, von der Aufnahme ins Arkanum ganz zu schweigen.
»Siebzehn«, sagte Dal nachdenklich. »Man vergisst das leicht. Du wirkst erwachsener.« Dann blickte er verträumt. »Ach, mein Gott, mit siebzehn war ich noch sehr durcheinander. Mein Studium … Und dann weiß man noch nicht, wo der eigene Platz ist in der Welt … Und die Frauen …« Er schüttelte langsam den Kopf. »Aber das bessert sich, weißt du. Lass mal drei, vier Jahre ins Land gehen, dann beruhigt sich das alles ein bisschen.«
Er hob den Tonkrug kurz in meine Richtung und nahm noch einen Schluck daraus. »Nicht dass du Schwierigkeiten zu haben scheinst. Re’lar mit siebzehn. Eine ziemliche Auszeichnung.«
Ich wurde ein wenig rot und wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte.
Der Wirt kam wieder und begann den Tisch zu decken. Dann servierte er uns etliche Sorten Käse auf einem Brett. Dazu gab es einen Korb voll kleiner, gerösteter Brotscheiben, ein Schälchen Erdbeermarmelade, ein Schälchen Blaubeerkonfitüre und einen kleinen Teller geschälte Walnüsse.
Dal nahm sich eine Scheibe Brot und etwas von einem bröckeligen weißen Käse. »Du bist ein ausgezeichneter Sympathiker«, sagte er. »Jemandem, der so gut ist, stehen draußen in der Welt viele Möglichkeiten offen.«
Ich strich mir etwas Erdbeermarmelade auf mein Käsebrot und schob es mir in den Mund, um Zeit zum Nachdenken zu haben. Wollte Dal damit sagen, dass ich mich mehr auf das Studium der Sympathie konzentrieren sollte? Oder wollte er damit andeuten, dass er als mein Bürge meine Beförderung zum El’the betrieb?
Bei meiner Beförderung zum Re’lar war Elodin mein Bürge gewesen, aber ich wusste, dass sich diese Dinge ändern konnten. Manchmal stritten Meister regelrecht um besonders vielversprechende Studenten. So war Mola beispielsweise Bibliothekarin gewesen, bis Arwyl sie dann für die Mediho abwarb.
»Das Studium der Sympathie bereitet mir große Freude«, sagte ich vorsichtig.
|498| »Das ist nicht zu übersehen«, erwiderte Dal mit einem Lächeln. »Manche deiner Kommilitonen wünschen sich wahrscheinlich, es würde dir weniger Freude bereiten.« Er aß noch ein Stück Käse und fuhr dann fort: »Aber man kann es auch übertreiben. Sagte Teccam nicht einst: ›Zu viel Studieren schadet dem Studenten‹?«
»Der Satz stammt von Ertram dem Weiseren«, sagte ich. Ich hatte das in einem der Bücher gelesen, die Meister Lorren dieses Trimester den Re’laren zur Lektüre empfohlen hatte.
»Aber es stimmt jedenfalls«, sagte er. »Du solltest dir überlegen, mal ein Freitrimester einzulegen, um dich ein bisschen zu entspannen. Du könntest verreisen, mal ein bisschen die Sonne an dich ranlassen.« Er trank noch einen Schluck. »Es ist nicht schön, einen Edema Ruh zu sehen, der nicht sonnengebräunt ist.«
Ich wusste nicht, was ich darauf sagen sollte. Auf die Idee, mir einige Zeit von der Universität frei zu nehmen, war ich nie gekommen. Wo sollte ich denn hin?
Der Wirt kam mit unserem Fisch, der nach Zitrone und Butter duftete. Eine Zeit lang konzentrierten wir uns beide auf das Essen. Ich war froh über diesen Vorwand, nichts sagen zu müssen. Wieso lobte mich Dal für meine akademischen Fortschritte und ermunterte mich im gleichen Atemzug, die Universität zu verlassen?
Schließlich seufzte Elxa Dal satt und zufrieden und schob seinen Teller beiseite. »Ich möchte dir eine kleine Geschichte erzählen«, sagte er. »Ich nenne sie ›Der unwissende Edema‹.«
Ich sah ihn an
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