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Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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der Gründung von Vintas ihre Unabhängigkeit, und ich verhandle mit diesem Dreckskerl Roderich nicht um eine Frau. Ich werde nicht den kleinsten Zipfel der Macht an ihn abtreten.«
    »Wie viele Frauen gibt es, die nicht in die Umgebung des Königs gehören, Euer Gnaden?«
    »Eine.« Bleischwer hing das Wort in der Luft. »Aber das ist noch nicht das Schlimmste. Diese Frau ist in jeder Beziehung vollkommen. Sie kommt aus einer geachteten Familie und ist gebildet, jung und schön.« Das letzte Wort schien ihn einige Überwindung zu kosten.
    »Eine ganze Schar liebestoller Höflinge umschwärmt sie, starke, junge Männer, die sie mit honigsüßen Worten zu gewinnen suchen. Sie begehren sie aus den verschiedensten Gründen. Wegen ihres Namens, ihres Besitzes, ihres Verstandes.« Der Maer schwieg lange. »Was wird sie sagen, wenn ein kranker, alter Mann ihr den Hof macht, der an einem Stock geht, wenn er überhaupt geht?« Sein Mund zuckte, als schmeckten die Worte bitter.
    |562| »Aber Eure Stellung würde Euch doch sicher …«
    Er hob die Hand und sah mich an. »Würdest du eine Frau heiraten, die du gekauft hast?«
    Ich senkte den Blick. »Nein, Euer Gnaden.«
    »Ich auch nicht. Der Gedanke, ich könnte meine Stellung dazu ausnützen, die Frau zur Heirat mit mir zu überreden, ist … abstoßend.«
    Wir schwiegen einen Moment. Ich beobachtete zwei Eichhörnchen, die sich draußen um den dicken Stamm einer Esche jagten. »Wenn ich Euch helfe, um die Hand dieser Dame anzuhalten, Euer Gnaden …« Ich spürte den Zorn des Maer, noch bevor ich sein Gesicht sah. »Verzeiht, Euer Gnaden. Ich vergesse mich.«
    »Hast du wieder Schlüsse gezogen?«
    »Ja, Euer Gnaden.«
    Er schien einen Augenblick mit sich zu kämpfen. Dann seufzte er, und die Spannung ließ wieder nach. »Ich muss
dich
um Verzeihung bitten. Die stechenden Schmerzen machen mich reizbar, und ich bin es nicht gewohnt, mit Fremden über persönliche Dinge zu sprechen oder sie über meine Probleme argwöhnen zu lassen. Sag mir, was für Schlüsse du noch ziehst. Sei mutig, wenn es sein muss.«
    Ich atmete ein wenig freier. »Ihr wollt diese Frau offenbar heiraten, in erster Linie, um Eure Pflicht zu erfüllen, aber auch, weil Ihr sie liebt.«
    Wieder entstand eine Pause, nicht so schlimm wie die letzte, aber trotzdem angespannt. »Liebe«, sagte der Maer schließlich, »ist ein Wort, das Narren zu oft verwenden. Diese Frau hat Liebe verdient, soviel ist gewiss. Und ich empfinde Zuneigung für sie.« Er klang unbehaglich. »Mehr sage ich nicht.« Er sah mich an. »Kann ich mich auf deine Verschwiegenheit verlassen?«
    »Selbstverständlich, Euer Gnaden. Aber warum überhaupt so verschwiegen?«
    »Ich bestimme gern selbst den Zeitpunkt meines Handelns. Ein Gerücht zwingt uns zu handeln, ehe wir dazu bereit sind, oder es zerstört eine Möglichkeit, noch ehe sie heranreifen konnte.«
    Ich nickte. »Wie heißt die Dame?«
    »Meluan Lackless.« Er sprach den Namen behutsam aus. »Wie ich bereits selbst feststellen konnte, bist du charmant und wohlerzogen. |563| Graf Threpe hat mir darüber hinaus versichert, du verstündest dich hervorragend darauf, Lieder zu komponieren und zu spielen. Genau das brauche ich. Willst du in dieser Funktion in meine Dienste treten?«
    Ich zögerte. »Was genau soll ich für Euch tun?«
    Er musterte mich skeptisch. »Ich dachte, für jemanden, der so scharfsinnig Schlüsse ziehen kann wie du, sei das klar.«
    »Ich weiß, dass Ihr die Dame freien wollt, Euer Gnaden, aber ich weiß nicht
wie
. Soll ich ihr einen Brief schreiben? Oder ein Lied? Soll ich im Mondschein ihren Balkon hinaufklettern und Blumen an ihr Fenster legen? Soll ich mit einer Maske verkleidet mit ihr tanzen und mich als Euch ausgeben?« Ich lächelte entschuldigend. »Ich kann nicht besonders gut tanzen, Euer Gnaden.«
    Alveron lachte herzhaft, doch hörte ich, dass das Lachen ihm Schmerzen bereitete. »Ich dachte auch mehr an Briefe und Lieder«, gestand er und sank mit schweren Augen auf sein Kissen zurück.
    Ich nickte. »Aber dazu muss ich mehr über sie wissen, Euer Gnaden. Um eine Frau zu werben, ohne sie zu kennen, wäre überaus töricht.«
    Alveron nickte müde. »Caudicus kann dir weiterhelfen. Er kennt sich ausgezeichnet in Familiengeschichte aus. Eine Familie ist das Fundament, auf dem der Mensch steht. Wenn du um diese Frau werben willst, musst du wissen, woher sie kommt.« Er winkte mich zu sich und hielt mir einen eisernen Ring hin. Sein ausgestreckter

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