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Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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bückte sich, um es aufzuheben.
    »Nein«, sagte Kvothe streng. »Lass es liegen.« Basts ausgestreckte Hand verharrte, und dann erhob er sich und verließ den Raum.
    Kvothe folgte ihm und schloss hinter sich die Tür.

|674| Kapitel 72
Pferde
    E inige Tage nach dem Mondscheinspaziergang mit Denna vollendete ich ein Lied für Meluan mit dem Titel
Nur Rosen
. Der Maer hatte es bei mir bestellt, und ich hatte mich mit Feuereifer ans Werk gemacht. Denna würde sich kaputtlachen, wenn ich es ihr vorspielte.
    Ich steckte das fertige Lied in einen Umschlag und blickte auf die Uhr. Eigentlich hatte ich geglaubt, den ganzen Abend dafür zu brauchen, doch war mir die Komposition überraschend leicht gefallen. Jetzt hatte ich den Rest des Abends frei. Es war zwar schon spät, aber nicht zu spät. Nicht zu spät für einen Cendling-Abend in einer lebendigen Stadt wie Severen. Vielleicht konnte ich sogar noch etwas mit Denna unternehmen.
    Hastig zog ich mich um und eilte aus der Burg. Seit ich das Geld in meiner Börse durch Verkäufe von Caudicus’ Instrumenten und Kartenspielen mit Adligen auffüllte, die mehr von Mode als von Zahlen verstanden, konnte ich mir den Silberbit für den Pferdelift leisten. Anschließend legte ich die halbe Meile bis zur Schreibergasse im Laufschritt zurück. Erst die letzten Häuserblocks ging ich langsamer. So schmeichelhaft ein im Laufschritt herbeieilender Verehrer sein mag, wollte ich doch nicht keuchend und schwitzend wie ein Pferd vor Dennas Herberge stehen.
    Ich war nicht weiter überrascht, Denna nicht in den VIER KERZEN anzutreffen. Sie war nicht jemand, der däumchendrehend zu Hause saß, nur weil ich keine Zeit hatte. Aber wir hatten zu zweit fast einen Monat lang die Stadt erkundet, und ich kannte die Orte, an denen sie meist zu finden war.
    |675| Fünf Minuten später entdeckte ich sie. Sie ging zielstrebig die belebte Straße entlang, als habe sie eine wichtige Verabredung.
    Ich eilte ihr nach, zögerte aber dann. Wohin war sie so spät am Abend allein noch unterwegs?
    Sie war mit ihrem Schirmherrn verabredet.
    Ich wünschte, ich könnte sagen, ich sei ihr nur unter größten Skrupeln gefolgt, aber das stimmt nicht. Die Aussicht, endlich die Identität dieses Mannes aufzudecken, war einfach zu verlockend.
    Also setzte ich die Kapuze meines Mantels auf und folgte ihr heimlich. Wenn man ein wenig Übung hat, geht das erstaunlich leicht. In Tarbean hatte ich mir damals ein Spiel daraus gemacht, herauszufinden, wie lange ich jemandem unbemerkt folgen konnte. Dass Denna sich zunächst klugerweise an die besseren Viertel mit ihren belebten Straßen hielt, half mir. Und mein roter Mantel wirkte in dem trüben Licht unauffällig dunkel.
    Ich folgte Denna eine halbe Stunde. Wir kamen an Straßenverkäufern vorbei, die Maronen und fettige Fleischpasteten feilboten. Unter die Passanten hatten sich Wächter gemischt, und die Straßen wurden von vereinzelten Laternen und Lampen über den Eingängen der Wirtshäuser beleuchtet. Gelegentlich spielte ein schäbig gekleideter Musikant auf, vor dem ein Hut lag, und einmal kamen wir an einer Pantomimentruppe vorbei, die auf einem kleinen, gepflasterten Platz ein Stück aufführte.
    Doch dann ließ Denna die belebten Straßen hinter sich. Die Beleuchtung wurde spärlich, und wir begegneten immer mehr Betrunkenen. Statt der Musiker saßen Bettler am Straßenrand, die die Passanten anriefen oder an den Kleidern festhielten. Die Fenster einiger Schenken und Wirtshäuser waren zwar noch hell, aber die Straßen leerten sich zusehends. Die meisten Leute waren zu zweit oder dritt unterwegs. In Korsetts geschnürte Frauen und Männer mit harten Gesichtern kamen uns entgegen.
    Gefährlich waren diese Straßen im Grunde trotzdem nicht. Oder genauer gesagt, sie waren gefährlich, wie es Glasscherben sind. Scherben greifen einen nicht an. Man kann sie sogar berühren, wenn man aufpasst. Andere Straßen sind dagegen gefährlich wie bissige Hunde, gegen die keine noch so große Vorsicht schützt.
    |676| Trotzdem wurde ich allmählich unruhig. Doch dann blieb Denna plötzlich am Eingang einer dunklen Gasse stehen. Sie streckte wie lauschend den Hals, spähte in das Dunkel und eilte hinein.
    Traf sie sich hier mit ihrem Schirmherrn? Oder nahm sie eine Abkürzung zu einer anderen Straße? Oder befolgte sie lediglich die wahnhaften Anweisungen ihres Schirmherrn, um eingebildete Verfolger abzuschütteln?
    Ich schimpfte leise vor mich hin. Wenn ich ihr in die Gasse folgte

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