Die Furcht des Weisen / Band 1
Grasflecken. Was würde er denken?«
»Und ich habe Blätter in den Haaren«, gestand ich. »Ich weiß genau, was er denken würde.«
Wir krochen aus dem Gebüsch. Ich zupfte die Blätter von mir ab, und Denna streifte mit den Händen über die Vorderseite ihres Rocks und zuckte bei den Grasflecken ein wenig zusammen.
Anschließend kehrten wir zum Weg zurück und setzten unseren Spaziergang fort. Ich überlegte, ob ich den Arm um Denna legen sollte, tat es aber nicht. Obwohl ich in solchen Dingen kein sicheres-Gespür habe, schien mir der rechte Augenblick vergangen.
Denna hob den Kopf, als wir an der Statue einer Frau vorbeikamen, die eine Blume pflückte, und seufzte. »Unser Spaziergang war spannender, als ich noch glaubte, wir würden etwas Verbotenes tun.« In ihrer Stimme schwang leises Bedauern.
Ich nickte. »So ist es immer.«
|667| Kapitel 71
Zwischenspiel:
Die dreifach verschlossene Truhe
K vothe forderte den Chronisten mit erhobener Hand zum Innehalten auf. Der wischte seine Feder mit einem Tuch ab und rollte langsam die Schultern. Ohne etwas zu sagen, zog Kvothe ein abgegriffenes Kartenspiel hervor und begann die Karten auszuteilen. Bast nahm seine zur Hand und betrachtete sie neugierig.
Der Chronist runzelte die Stirn. »Was –«
Schritte ertönten auf dem hölzernen Absatz vor dem Eingang. Die Tür ging auf, und ein dicker, kahlköpfiger Mann kam herein, der eine bestickte Jacke trug.
»Bürgermeister Lant!«, sagte der Wirt, legte seine Karten hin und stand auf. »Was kann ich für Euch tun? Etwas zu trinken? Oder eine Kleinigkeit zu essen?«
»Ein Glas Wein wäre mir sehr genehm«, sagte der Bürgermeister. »Habt Ihr roten Gremsby da?«
Der Wirt schüttelte den Kopf. »Leider nicht«, sagte er. »Die Straßen, wisst Ihr. Es ist schwierig, solche Dinge zu beschaffen.«
Der Bürgermeister nickte. »Dann nehme ich irgendeinen anderen Roten«, sagte er. »Aber ich zahle dafür nicht mehr als einen Penny!«
»Selbstverständlich, Sir«, sagte der Wirt dienstbeflissen und rang kurz die Hände. »Möchtet Ihr auch etwas essen?«
»Nein«, sagte der kahlköpfige Mann. »Ich bin eigentlich nur hier, um die Dienste des Schreibers kurz in Anspruch zu nehmen. Ich dachte, ich warte lieber, bis sich der Trubel gelegt hat, um eine vertrauliche Angelegenheit zu regeln.« Er sah sich im leeren Schankraum um. »Ihr habt doch nichts dagegen, wenn ich mir diesen Raum für eine halbe Stunde reserviere, oder?«
|668| »Ganz und gar nicht«, sagte der Wirt, lächelte verbindlich und machte in Richtung Bast eine fortscheuchende Geste.
»Aber ich habe lauter Trümpfe auf der Hand!«, protestierte Bast und wedelte mit seinem Blatt.
Der Wirt sah mit gerunzelter Stirn zu seinem Gehilfen hinüber und verschwand in der Küche.
Der Bürgermeister zog sich die Jacke aus und hängte sie über die Rückenlehne eines Stuhls, und Bast sammelte derweil die Karten ein und grummelte vor sich hin.
Alsbald brachte der Wirt dem Bürgermeister ein Glas Rotwein und schloss mit einem großen Messingschlüssel die Eingangstür ab. »Der Junge und ich gehen nach oben, dann seid Ihr ungestört«, sagte er zu dem Bürgermeister.
»Das ist wirklich sehr freundlich von Euch«, sagte der und setzte sich zu dem Chronisten. »Ich sage Bescheid, wenn ich fertig bin.«
Der Wirt nickte und scheuchte Bast die Treppe hinauf. Dann öffnete Kvothe die Tür zu seinem Zimmer und schob Bast hinein. »Ich frage mich, was der alte Lant so Geheimes zu regeln hat«, sagte Kvothe, als er die Tür hinter ihnen geschlossen hatte. »Hoffentlich hält er uns nicht zu lange auf.«
»Er hat zwei Kinder mit der Witwe Creel«, erwiderte Bast nüchtern.
Kvothe hob eine Augenbraue. »Wirklich?«
Bast zuckte die Achseln. »Das weiß doch jeder hier im Ort.«
Darauf reagierte Kvothe nur mit einem
hm
und ließ sich auf einem Sessel nieder. »Und was machen wir jetzt eine halbe Stunde lang?«, fragte er.
»Wir hatten schon lange keinen Unterricht mehr«, sagte Bast, zog sich von dem kleinen Schreibtisch einen Stuhl herbei und ließ sich darauf nieder. »Du könntest mir irgendwas beibringen.«
»Unterricht«, sagte Kvothe nachdenklich. »Du könntest im
Celum Tinture
lesen.«
»Reshi«, sagte Bast flehentlich. »Das ist so
langweilig
. Ich hab ja nichts gegen Unterricht, aber muss es denn unbedingt Buchunterricht sein?«
Basts Klageton entlockte Kvothe ein Lächeln. »Wie wär’s dann |669| mit einer Rätselstunde?« Da grinste Bast. »Also gut, lass
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