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Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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Mädchen in ein besseres Viertel und verschwand mit ihr in einem anständig aussehenden Wirtshaus, auf dessen Schild ein Hahn gemalt war.
    Ich wartete eine Weile draußen und versuchte mich durch ein Fenster in der Gaststube zu orientieren. Dann zog ich mir die Kapuze tiefer ins Gesicht, ging unauffällig durch den hinteren Teil der Stube und setzte mich an einen Tisch auf der anderen Seite einer Trennwand, hinter der Denna und das Mädchen saßen. Wenn ich mich vorgebeugt hätte, hätten wir uns gesehen.
    Die Stube war fast leer, und kaum hatte ich mich gesetzt, trat schon ein Serviermädchen an meinen Tisch. Sie ließ den Blick auf dem feinen Tuch meines Mantels ruhen und lächelte. »Was kann ich Euch bringen?«
    Ich musterte das beeindruckende Flaschensortiment hinter dem Tresen und winkte das Mädchen näher heran. Ich sprach leise und heiser, als sei ich eben erst von einem schlimmen Husten genesen. »Ich nehme einen Whiskey von eurer besten Sorte und ein Glas guten roten Felorer.«
    Das Serviermädchen nickte und ging.
    Ich wandte meine im Lauschen geübten Ohren dem Nachbartisch zu.
    »… dein Akzent«, hörte ich Denna sagen. »Woher kommst du?«
    Es folgte eine Pause, dann murmelte das Mädchen etwas. Ich konnte sie nicht verstehen, da sie mit dem Rücken zu mir saß.
    |679| »Das liegt im westlichen Farrel, nicht wahr?«, fragte Denna. »Dann bist du aber weit von zu Hause weg.«
    Das Mädchen murmelte wieder etwas. Darauf folgte eine längere Pause. Ich wusste nicht, ob das Mädchen aufgehört hatte zu sprechen oder ob sie so leise redete, dass ich es nicht hören konnte. Ich unterdrückte das Verlangen, mich vorzubeugen und um die Ecke der Trennwand zu spähen.
    Dann setzte das leise Murmeln erneut ein.
    »Ich weiß, er hat gesagt, dass er dich liebt«, meinte Denna voller Mitgefühl. »Das sagen sie alle.«
    Das Serviermädchen stellte ein hohes Weinglas vor mich und daneben das Whiskeyglas. »Macht zwei Bit.«
    Grundgütiger Tehlu! Bei solchen Preisen war es kein Wunder, dass dieses Wirtshaus fast leer war.
    Ich stürzte den Whisky auf einen Zug hinunter und widerstand dem Hustenreiz, als er in der Kehle brannte. Dann zog ich einen Silberrund aus meiner Börse, legte die schwere Münze auf den Tisch und stellte das leere Whiskyglas umgekehrt darauf.
    Ich winkte das Serviermädchen wieder herbei. »Ich mache dir einen Vorschlag«, sagte ich leise. »Ich habe im Augenblick nur einen Wunsch: nämlich ungestört hier zu sitzen, meinen Wein zu trinken und meinen Gedanken nachzuhängen.«
    Ich klopfte auf das Whiskeyglas mit der Münze darunter. »Wenn ich das kann, gehört diese Münze abzüglich der Kosten für meine Getränke dir.« Die Augen des Mädchens wurden größer und wanderten zu der Münze. »Wenn mich dagegen jemand stört, auch wenn er es gut meint und mich nur fragen will, ob ich noch etwas trinke, bezahle ich und gehe.« Ich sah das Mädchen an. »Kannst du also dafür sorgen, dass ich den Abend ungestört bleibe?«
    Sie nickte eifrig.
    »Danke.«
    Das Serviermädchen eilte fort, sprach mit der Frau hinter dem Schanktisch und machte eine Handbewegung in meine Richtung. Meine Anspannung ließ ein wenig nach. Die beiden würden dafür sorgen, dass ich ungestört blieb.
    Ich nippte an meinem Wein und lauschte wieder.
    |680| »… was ist dein Vater?«, fragte Denna. Ich kannte die Stimme, mit der sie sprach. In demselben leisen, sanften Tonfall hatte mein Vater auf scheuende Pferde eingeredet. Er hatte etwas Beruhigendes.
    Das Mädchen murmelte weiter. »Ein schöner Beruf«, sagte Denna. »Aber wie kommst du hierher?«
    Ich hörte wieder Murmeln.
    »Er konnte die Hände nicht von dir lassen, was?«, sagte Denna sachlich. »Älteste Söhne haben das so an sich.«
    Das Mädchen sagte erneut etwas, diesmal lebhafter, aber ich verstand es immer noch nicht.
    Ich rieb mit einem Zipfel meines Mantels das Äußere meines Weinglases und hielt es dann ein wenig von mir weg. Der Wein war dunkelrot, fast schwarz. Mit seiner Hilfe wurde das Glas zu einem Spiegel. Keinem besonders guten Spiegel, aber doch gut genug, dass ich an dem Tisch um die Ecke zwei Gestalten sitzen sah.
    Ich hörte, wie Denna das Gemurmel des Mädchens mit einem Seufzer unterbrach. »Lass mich raten«, sagte sie ein wenig ungeduldig. »Du hast das Silber oder etwas Ähnliches gestohlen und bist in die Stadt weggelaufen.«
    Das kleine Spiegelbild des Mädchens saß reglos da.
    »Aber in der Stadt war es nicht so, wie du dir das

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