Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
Vom Netzwerk:
gewesen wärst, hätte ich schleunigst dafür gesorgt, dass sich das ändert.« Sie fuhr mir mit den Fingern durchs Haar. »Wir beide könnten ein schönes Feuer entfachen.«
    Ich starrte sie an wie ein erschrecktes Reh, ohne dass ich sagen könnte warum. Vielleicht weil ich vom Marschieren so müde war oder weil sich noch nie jemand so direkt an mich herangemacht hatte. Oder …
    Oder weil ich noch so jung und beklagenswert unerfahren war. Wir wollen es dabei belassen.
    Jedenfalls überlegte ich krampfhaft, was ich sagen sollte. Als ich mich wieder ein wenig erholt hatte, war sie bereits einen Schritt zurückgetreten und musterte mich mit einem Augenzwinkern. Ich wurde rot und geriet noch mehr in Verlegenheit. Wie betäubt senkte |727| ich den Blick auf den Tisch und das Essen, das sie vor mich gestellt hatte.
Kartoffelsuppe,
dachte ich benommen.
    Sie lachte leise und tätschelte mir freundlich die Schulter. »Tut mir leid, mein Junge. Du sahst aus, als hättest du schon mehr …« Sie brach ab, wie um ihre Worte zu überdenken. »Dein frisches Aussehen hat mir gefallen, aber ich dachte nicht, dass du noch
so
jung bist.«
    Sie klang verständnisvoll, doch hörte ich das Lächeln in ihrer Stimme. Mein Gesicht einschließlich der Ohren brannte daraufhin noch mehr. Endlich schien sie zu merken, dass alles, was sie sagte, meine Verlegenheit nur noch verschlimmern konnte, und sie nahm die Hand von meiner Schulter. »Ich komme nachher wieder, für den Fall, dass du noch etwas brauchst.«
    Ich nickte stumm und sah ihr nach, froh darüber, dass sie ging. Doch dann hörte ich vereinzelt Lachen. Ich blickte mich um. Die Männer an den langen Tischen um mich sahen mich belustigt an. Einige hatten die Krüge erhoben und prosteten mir spöttisch zu. Ein anderer beugte sich zu mir, klopfte mir tröstend auf den Rücken und sagte: »Nimm es nicht persönlich, Junge, uns hat sie alle abgewiesen.«
    Unter dem Eindruck, dass alle Anwesenden mich beobachteten, senkte ich den Blick und begann zu essen. Während ich Stücke von dem Brotkanten abriss und in die Suppe eintunkte, notierte ich mir in Gedanken, was ich alles falsch gemacht hatte. Verstohlen beobachtete ich, wie die rothaarige Frau mit Getränken von Tisch zu Tisch ging, amüsiert auf die Annäherungsversuche von einem Dutzend Männer einging und sie dann zurückwies.
    Als Marten sich neben mich setzte, hatte ich mich schon wieder etwas erholt. »Das mit Dedan vorhin hast du gut hingekriegt«, sagte er ohne Einleitung.
    Meine Laune hob sich ein wenig. »Wirklich?«
    Marten nickte leicht, während sein Blick über die Anwesenden wanderte. »Die meisten drohen ihm und lassen ihn dumm dastehen. Wenn du das versucht hättest, hätte er es dir zehnfach heimgezahlt.«
    »Aber er hat sich auch dumm verhalten«, erwiderte ich. »Und im Grund habe ich ihm auch gedroht.«
    |728| Marten zuckte die Achseln. »Aber so geschickt, dass er trotzdem noch auf dich hört.« Er nahm einen Schluck aus dem Krug, den er mitgebracht hatte, hielt inne und wechselte das Thema. »Hespe hat angeboten, heute Nacht mit ihm ein Zimmer zu teilen«, sagte er beiläufig.
    »Tatsächlich?«, fragte ich einigermaßen überrascht. »Sie wird mutiger.«
    Marten nickte langsam.
    »Und?«
    »Nichts. Dedan meinte, er würde nie im Leben Geld für ein Zimmer ausgeben, das eigentlich umsonst sein müsste.« Marten sah mich mit erhobenen Augenbrauen an.
    »Das meint er nicht ernst«, sagte ich entschieden. »Er muss doch wissen, was sie für ihn empfindet. Er spielt nur den Ahnungslosen, weil er sie nicht leiden kann.«
    »Das glaube ich nicht.« Marten wandte sich mir ganz zu und senkte die Stimme. »Vor drei Spannen haben wir eine Karawane aus Ralien begleitet. Wir waren lange unterwegs und hatten die Taschen voller Geld und nichts zu tun. Spätnachts sitzen wir in einer schmutzigen Hafenschenke und sind zu betrunken zum Aufstehen, da fängt er plötzlich an von ihr zu reden.«
    Marten schüttelte langsam den Kopf. »Er redete eine Stunde lang, und du hättest in der Frau, von der er sprach, unsere grimmige Hespe nicht erkannt. Er pries sie in den höchsten Tönen.« Marten seufzte. »Er meint, sie sei zu gut für ihn. Und er ist davon überzeugt, dass sie ihm den Arm bricht, sobald er sie auch nur mit einem Blick streift.«
    »Warum hast du es ihm nicht gesagt?«
    »Was denn? Damals hat sie ihm noch nicht schöne Augen gemacht, und ich hielt seine Befürchtungen für ziemlich gerechtfertigt. Was glaubst du würde

Weitere Kostenlose Bücher