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Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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Hespe mit dir anstellen, wenn du ihr einen netten Klaps auf einen ihrer netteren Körperteile geben würdest?«
    Ich sah zum Tresen hinüber, an dem Hespe stand. Ein Fuß wippte im Rhythmus der Fiedel, Schultern, Augen und Kinn waren dagegen wie in Stein gemeißelt und wirkten abweisend. Ein kleiner, aber vielsagender Abstand trennte sie von den Männern, die rechts und links von ihr am Tresen standen.
    |729| »Ich würde meinen Arm wahrscheinlich auch nicht riskieren«, gab ich zu. »Aber Dedan weiß doch inzwischen bestimmt Bescheid. Er ist nicht blind.«
    »Jedenfalls nicht blinder als wir.«
    Ich wollte etwas erwidern, doch dann fiel mein Blick auf die rothaarige Kellnerin. »Wir könnten es ihm sagen, oder besser du könntest das. Er vertraut dir.«
    Marten schnalzte mit der Zunge an den Zähnen. »Nein.« Er stellte seinen Krug entschieden auf dem Tisch ab. »Dann wäre alles noch viel komplizierter. Entweder er merkt es von selbst und auf seine Art, oder er merkt es nicht.« Marten zuckte die Achseln. »Wenn nicht, geht die Welt davon auch nicht unter.«
    Anschließend schwiegen wir lange. Marten betrachtete abwesend die von lebhaftem Treiben erfüllte Gaststube über den Rand seines Krugs und ich lehnte mich schläfrig an die Wand hinter mir. Der Stimmenlärm um mich verschmolz zu einem fernen, einlullenden Murmeln.
    Meine Gedanken wandten sich wie immer, wenn ich sie nicht kontrollierte, Denna zu. Ich dachte an ihren Geruch, an die Biegung ihres Halses unter dem Ohr und die Art, wie ihre Hände sich bewegten, wenn sie redete. Ich hätte gern gewusst, wo sie an diesem Abend war und ob es ihr gut ging. Und ob sie manchmal vielleicht auch ein wenig sehnsüchtig an mich dachte …

    »… die Banditen aufzuspüren dürfte nicht schwer sein. Und es wäre zur Abwechslung auch einmal schön, ihnen zuvorzukommen, diesem gesetzlosen Pack.«
    Die Worte weckten mich aus meinem angenehmen Dösen wie der Angelhaken, der den Fisch aus dem Teich zieht. Der Fiedler hatte aufgehört zu spielen und trank etwas. Auch der Lärm hatte sich ein wenig gelegt, und Dedans Stimme war so deutlich zu hören wie das Gebrüll eines Esels. Ich öffnete die Augen. Auch Marten sah sich beunruhigt um, offenbar durch dieselben Worte aufgeschreckt wie ich.
    |730| Ich brauchte nicht lange, um Dedan zu finden. Er saß zwei Tische weiter, war betrunken und unterhielt sich mit einem grauhaarigen Bauern.
    Marten war bereits aufgestanden. Da ich keine unnötige Aufmerksamkeit erregen wollte, zischte ich nur »bring ihn her« und zwang mich sitzen zu bleiben.
    Finster sah ich zu, wie Marten sich rasch zwischen den Tischen hindurchschob, Dedan auf die Schulter klopfte und mit dem Daumen auf mich zeigte. Dedan brummte etwas, das ich Gott sei Dank nicht verstand, und stand widerwillig auf.
    Ich ließ den Blick durch die Gaststube wandern. Tempi fiel mir in seinen roten Kleidern sofort ins Auge. Er saß mit dem Gesicht zum Kaminfeuer und sah zu, wie der Fiedler sein Instrument stimmte. Die Riemen seines Hemdes hatte er gelockert, und auf dem Tisch vor ihm standen mehrere leere Gläser. Der Fiedler schien ihn zu faszinieren.
    Die Kellnerin brachte ihm ein weiteres Glas. Er musterte sie mit seinen hellen Augen eingehend von oben bis unten. Sie sagte etwas, und er küsste ihr galant die Hand. Die Kellnerin errötete und gab ihm einen spielerischen Klaps auf die Schulter. Tempis Hand wanderte zu ihrer Hüfte hinauf und blieb dort liegen. Es schien ihr nichts auszumachen.
    Der Fiedler hob den Bogen und stimmte einen schwungvollen Tanz an. Im selben Augenblick trat Dedan vor mich hin, und ich konnte Tempi nicht mehr sehen. Ein Dutzend Gäste sprangen auf, um zu tanzen.
    »Was ist denn?«, fragte Dedan. »Willst du mir sagen, dass es schon spät ist? Dass ich morgen einen anstrengenden Tag vor mir habe und deshalb jetzt brav ins Bett gehen soll?« Er beugte sich vor und stützte sich auf den Tisch, bis seine Augen auf gleicher Höhe wie meine waren. Sein Atem roch säuerlich nach Tresterschnaps, einem billigen Fusel, den man auch zum Feuermachen benutzen kann.
    Ich lachte. »Wo denkst du hin, ich bin doch nicht deine Mutter.« Tatsächlich hatte ich genau das sagen wollen. Jetzt suchte ich krampfhaft nach einem anderen Thema. Mein Blick fiel auf die rothaarige Kellnerin, die mir das Essen gebracht hatte, und ich beugte mich vor. |731| »Ich muss dich etwas fragen«, sagte ich mit verschwörerisch gesenkter Stimme.
    Sein finsterer Blick wich der Neugier, und ich

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