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Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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ihren Haaren los. Sie war jung und hübsch und ihr Mund lächelte, doch ihre Augen blickten müde. »Guten Tag, Kote.«
    »Ich habe euch beide lange nicht gesehen«, sagte der Wirt. »Kann ich euch Apfelsaft bringen? Ich habe ihn am Vormittag frisch gepresst.«
    Die Frau nickte, und der Wirt schenkte Apfelsaft in drei Krüge. Zwei davon trug Bast zu Hap und seiner Tochter. Hap nahm einen, |788| aber das Mädchen versteckte sich hinter dem Vater und spähte schüchtern hinter seiner Schulter hervor.
    »Will der kleine Ben einen eigenen Becher?«, fragte Kote.
    »Wollen schon«, sagte Mary und sah den Jungen, der die Finger in den Mund gesteckt hatte, lächelnd an. »Ich würde ihm allerdings keinen geben, wenn du den Saft nicht vom Boden aufwischen willst.« Sie griff in ihre Tasche.
    Kote schüttelte entschieden den Kopf und hob die Hand. »Kommt nicht in Frage«, sagte er. »Als Hap die Zäune hinter dem Wirthaus repariert hat, hat er für seine Arbeit nicht mal die Hälfte dessen genommen, was ihm eigentlich zustand.«
    Mary lächelte angespannt und nahm ihren Krug. »Ich danke dir, Kote.« Sie ging zu dem Tisch, an dem ihr Mann mit dem Chronisten saß, und sprach ebenfalls mit ihm. Das Baby wiegte sie dabei auf der Hüfte. Ihr Mann nickte zu dem, was sie sagte, und warf hin und wieder eine Bemerkung ein. Der Chronist tunkte seine Feder in die Tinte und begann zu schreiben.
    Bast kehrte zum Tresen zurück, lehnte sich dagegen und sah neugierig zum Tisch des Chronisten hinüber. »Ich verstehe immer noch so vieles nicht«, sagte er. »Ich weiß zum Beispiel genau, dass Mary selber schreiben kann. Sie hat mir schon Briefe geschrieben.«
    Kvothe betrachtete seinen Schüler, dann zuckte er die Achseln. »Er setzt wahrscheinlich Testamente und Urkunden auf, keine Briefe. Urkunden müssen sauber und ordentlich geschrieben sein und dürfen keine Rechtschreibfehler enthalten.« Er wies auf den Chronisten, der in diesem Augenblick ein schweres Siegel auf einen Bogen Papier drückte. »Siehst du? Er ist eine Art Beamter. Was er mit seinem Siegel versieht, hat rechtliches Gewicht.«
    »Aber Priester tun dasselbe«, erwiderte Bast. »Abbe Grimes kann auch alles Mögliche beurkunden. Er stellt Heiratsurkunden aus und Verträge, wenn jemand ein Stück Land kauft. Du hast selbst gesagt, dass Priester so etwas gern erledigen.«
    Kvothe nickte. »Stimmt, aber ein Priester erwartet, dass du dafür der Kirche Geld spendest. Wenn er dein Testament schreibt und du spendest keinen lumpigen Penny …« Er zuckte die Achseln. »In einem kleinen Ort wie diesem kann einem so etwas das Leben schwer |789| schwer machen. Und wenn du nicht lesen kannst … dann kann der Priester im Grunde schreiben, was er will, nicht wahr? Und wer könnte ihm einen Fehler nachweisen, wenn du erst einmal tot bist?«
    Bast sah Kvothe entrüstet an. »So etwas würde Abbe Grimes nie tun!«
    »Er wahrscheinlich nicht«, gab Kvothe zu. »Für einen Priester ist er ein anständiger Kerl. Aber vielleicht willst du ja der jungen Witwe vom Ende der Straße ein Grundstück vererben und ihrem zweiten Sohn eine Summe Geld?« Kvothe hob vielsagend die Augenbrauen. »So etwas bespricht man ungern mit dem Priester. Es reicht, wenn es später herauskommt, wenn man längst tot und begraben ist.«
    Bast nickte und betrachtete das junge Paar, als wollte er ergründen, welche Geheimnisse es wohl zu verbergen hatte.
    Kvothe zog einen weißen Lappen hervor und begann geistesabwesend, den Tresen zu wischen. »Meist handelt es sich um etwas ganz Harmloses. Man will zum Beispiel Ellie die Spieluhr vererben, sich aber nicht zehn Jahre lang die Klagen der Schwestern anhören müssen.«
    »Wie damals, als die Witwe Graden starb?«
    »Stimmt. Du hast selbst erlebt, wie sich die Angehörigen der Witwe im Streit um das Erbe bis aufs Blut bekämpft haben. Die Hälfte von ihnen spricht bis auf den heutigen Tag nicht miteinander.«
    Am Tisch des Chronisten ging das Mädchen zu seiner Mutter und zog hartnäckig an ihrem Kleid. Wenig später kam Mary mit dem Mädchen im Schlepptau zum Tresen. »Die kleine Syl müsste mal«, sagte sie entschuldigend. »Können wir …?«
    Kote nickte und zeigte auf die Tür neben der Treppe.
    Mary hielt den kleinen Jungen Bast hin. »Wärst du so lieb?«
    Bast streckte unwillkürlich die Hände aus, nahm den Jungen und stand ungeschickt mit ihm da, während Mary ihre Tochter begleitete.
    Der Junge sah sich aufmerksam um, unsicher, was er von der neuen Lage halten

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