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Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag

Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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deinem versprechen, zu mir zurückzukehren.« Ihre Stimme war samtweich, mit einem kaum hörbaren warnenden Unterton.
    Ich lächelte. »Aber ich habe nichts, das ich dir dalassen könnte.«
    »außer der erinnerung.« Sie beugte sich vor.
    Ich schloss die Augen und sagte ihr mit wenigen Worten und vielen Küssen Lebewohl.
    Dann ging ich. Ich würde gern behaupten, ich hätte mich nicht noch einmal zu ihr umgesehen, aber das wäre eine Lüge. Ihr Anblick brach mir fast das Herz. Sie wirkte so klein neben den mächtigen Grausteinen. Fast wäre ich für einen letzten Kuss, ein letztes Lebewohl noch einmal umgekehrt.
    Doch ich wusste, wenn ich das tat, würde ich nie mehr von ihr loskommen. Irgendwie brachte ich es fertig, weiterzugehen.
    Als ich mich zum zweiten Mal umsah, war sie verschwunden.

Kapitel 107

Temperament
     
    L ange nach Sonnenuntergang traf ich beim Wirthaus ZUM GÜLDENEN PENNY ein. Aus den großen Fenstern fiel Licht, und vor dem Eingang waren ein Dutzend Pferde angepflockt. Ihre Köpfe steckten in Futtersäcken.
    Doch etwas stimmte nicht. Es fehlte das ausgelassene Lärmen der Zecher, das sonst um diese Zeit so lieblich aus einem gut besuchten Wirtshaus tönt. Kein Wort war zu hören, kein Laut.
    Beunruhigt trat ich näher. Alle möglichen Märchen gingen mir durch den Kopf. War ich etwa Jahre weggewesen? Jahrzehnte?
    Oder hatte die Stille einen handfesteren Grund? Waren die Banditen zahlreicher gewesen, als wir geglaubt hatten? Waren sie, als sie das Lager bei ihrer Rückkehr zerstört vorgefunden hatten, hierhergekommen, um sich zu rächen?
    Ich trat an ein Fenster und spähte hinein.
    Im Schankraum saßen, an den Tischen und am Tresen, vierzig bis fünfzig Gäste. Ihre Blicke waren auf den Kamin gerichtet.
    Davor saß Marten. Er trank gerade einen tiefen Schluck. »Ich konnte den Blick nicht abwenden«, fuhr er dann fort, »und ich wollte es auch gar nicht. Doch dann trat Kvothe vor mich und versperrte mir die Sicht. Für einen kurzen Augenblick war ich von ihrem Zauber befreit. Kalter Schweiß bedeckte mich über und über, als hätte jemand einen Eimer Wasser über mir ausgekippt. Ich wollte Kvothe zurückhalten, aber er machte sich von mir los und eilte auf sie zu.« Martens Gesicht zeigte tiefes Bedauern.
    »Warum hat sie sich nicht auch noch den Adem und den Hünen geholt?«, fragte ein falkengesichtiger Mann, der neben ihm am Kaminsaß, und trommelte mit den Fingern auf einen verschrammten Fiedelkasten. »Wenn ihr sie wirklich gesehen hättet, wärt ihr ihr doch alle nachgerannt.«
    Im Schankraum wurde zustimmendes Gemurmel laut.
    Da meldete sich Tempi zu Wort, der an einem benachbarten Tisch saß und in seinem blutroten Hemd leicht auszumachen war. »Als Kind musste ich lernen, alles zu ertragen.« Er hob die Hand und ballte die Faust. »Schmerzen. Hunger. Durst. Müdigkeit.« Nach jedem Wort schüttelte er die Faust zum Zeichen seines Sieges über die betreffende Anfechtung. »Frauen.« Er lächelte kaum merklich und schüttelte wieder die Faust, freilich weniger heftig. Einige Zuhörer lachten leise. »Trotzdem. Wenn Kvothe ihr nicht gefolgt wäre, hätte ich es vielleicht getan.«
    Marten nickte. »Und was unseren anderen Gefährten angeht …« Er räusperte sich und zeigte durch den Raum. »Hespe konnte ihn zum Bleiben überreden.« Die Zuhörer lachten wieder. Ich musste kurz suchen, bis ich Dedan und Hespe fand. Dedan war tiefrot angelaufen, was ihm sichtlich unangenehm war. Hespe hatte besitzergreifend eine Hand auf sein Bein gelegt und lächelte zufrieden in sich hinein.
    »Am nächsten Tag haben wir ihn gesucht«, fuhr Marten fort, und die Blicke wandten sich wieder ihm zu. »Wir folgten seiner Spur durch den Wald. Eine halbe Meile vom Teich entfernt fanden wir sein Schwert. Er hat es offenbar verloren, als er hinter ihr herrannte. Unweit davon hing an einem Ast sein Mantel.«
    Marten hielt den fadenscheinigen Umhang hoch, den ich von dem Kessler gekauft hatte. Der Umhang sah aus, als hätte ihn ein Hund in die Fänge bekommen. »Er blieb an dem Ast hängen, und Kvothe muss sich losgerissen haben, um die Fee nicht aus den Augen zu verlieren.« Marten strich über den zerrissenen Stoff. »Wenn das Tuch stärker gewesen wäre, säße Kvothe heute Abend vielleicht hier bei uns.«
    Ich erkenne mein Stichwort, wenn ich es höre, und trat in diesem Moment durch die Tür. Alle Blicke richteten sich auf mich. »Ich habe inzwischen einen besseren Mantel gefunden«, sagte ich. »Felurian hat

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