Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag
genug. Ein richtiger Söldner braucht zwei Hände. Mit nur einer Hand kann ich nicht den Flüchtigen Liebhaber oder den Schlafenden Bären ausführen.«
Er zuckte die Achseln. »Im Rückblick kann man sich das alles fragen, immer wieder, aber es nützt nichts. Ich war stolz darauf, Söldner zu sein, und ich habe über zweihundertdreißig Talente für die Schule verdient. Ich gehörte dem zweiten Stein an und wäre zu gegebener Zeit zum dritten vorgerückt.«
Er hob wieder seine verkrüppelte Hand. »Das alles hätte ich nicht geschafft, hätte ich Angst gehabt, meine Hand zu verlieren. Wenn ich ängstlich gewesen wäre, wäre ich nie als Schüler des Latantha aufgenommen worden, hätte nie den zweiten Stein geschafft. Ich hätte meine Finger noch, wäre aber weniger, als ich jetzt bin.«
Er wandte sich erneut den Töpfen zu und begann sie zu schrubben. Nach einem kurzen Augenblick folgte ich seinem Beispiel.
Doch konnte ich nicht an mich halten. »Ist es schlimm?«, fragte ich leise.
Naden antwortete lange nicht. »Als es passierte, glaubte ich zunächst, es sei nicht so schlimm. Andere sind schlimmer verwundet worden oder sogar gestorben. Ich hatte mehr Glück als sie.«
Er atmete tief durch. »Ich redete mir ein, es sei nicht so schlimm und mein Leben würde weitergehen. Aber das stimmt nicht. Das Leben hört auf. Ich habe viel verloren. Alles.«
Er machte eine Pause. Dann sagte er: »Wenn ich träume, habe ich beide Hände.«
Schweigend machten wir den Abwasch zu Ende. Manchmal kann man nicht mehr tun als gemeinsam schweigen.
Auch Celean konnte mir etwas beibringen: dass es nämlich Gegner gibt, die Männern ohne zu zögern die Faust, den Fuß oder den Ellbogen in die Geschlechtsteile stoßen.
Wobei sie wohlgemerkt nie so heftig zustieß, dass ich bleibende Schäden davongetragen hätte. Sie kämpfte schon ihr ganzes junges Leben lang und besaß die von Vashet so hoch geschätzte Beherrschung. Das bedeutete freilich auch, dass sie genau wusste, wie hart sie zustoßen musste, um mich außer Gefecht zu setzen und sich unangefochten den Sieg zu sichern.
Ich saß also mit einem flauen Gefühl im Gras und kämpfte mit der Übelkeit. Celean hatte mir, nachdem sie mich kampfunfähig gemacht hatte, tröstend auf die Schulter geklopft und sich fröhlich hüpfend entfernt. Bestimmt wollte sie wieder unter den im Wind schwankenden Ästen des Schwertbaums tanzen.
»Du hast dich bis kurz vor Schluss gut gehalten«, sagte Vashet und setzte sich mir gegenüber auf den Boden.
Ich schwieg. Wie ein Kind, das Verstecken spielt, hoffte ich inbrünstig, dass die Schmerzen mich nicht finden würden, wenn ich die Augen schloss und mich nicht bewegte.
»Na komm, ich habe Celeans Tritt gesehen«, sagte Vashet ein wenig ungeduldig. »So schlimm war er nicht.« Ich hörte sie seufzen. »Aber wenn du meinst, du brauchst jemanden, der sich ansieht, ob noch alles dran ist …«
Ich kicherte ein wenig, aber das war ein Fehler. Unerträgliche Schmerzen fuhren mir durch den Unterleib und strahlten bis in dieKnie und das Brustbein aus. Übelkeit und Schwindel schlugen über mir zusammen, und ich öffnete die Augen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.
»Irgendwann wächst sie da heraus«, sagte Vashet.
»Hoffentlich«, sagte ich mit zusammengebissenen Zähnen. »Es ist wirklich eine lästige Angewohnheit.«
»So meine ich das nicht«, erwiderte Vashet. »Ich meinte, sie wird größer werden und ihre Aufmerksamkeit dann hoffentlich gleichmäßiger über den Körper ihres Gegners verteilen. Im Moment greift sie viel zu oft auf Höhe der Lenden an. Das macht sie berechenbar, und man kann sich leicht dagegen verteidigen.« Sie sah mich vielsagend an. »Wenn man einen Funken Verstand besitzt.«
Ich schloss die Augen wieder. »Bitte jetzt keinen Unterricht, Vashet«, bat ich. »Mir kommt gleich das Frühstück von gestern hoch.«
Vashet stand auf. »Dann ist das der beste Zeitpunkt für eine Unterrichtsstunde. Steh auf. Du musst lernen, auch mit Verletzungen zu kämpfen. Celean hat dir die Gelegenheit verschafft, diese unschätzbare Fähigkeit zu üben. Du solltest dich bei ihr bedanken.«
Da ich wusste, dass Widerspruch zwecklos war, stand ich auf und ging vorsichtig einige Schritte zu meinem Übungsschwert.
Vashet hielt mich an der Schulter fest. »Nein, nur mit den Händen.«
Ich seufzte. »Muss das sein, Vashet?«
Sie hob die Augenbrauen. »Muss was sein?
»Müssen wir immer nur mit den Händen kämpfen?«, fragte
Weitere Kostenlose Bücher