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Die Gabe der Amazonen

Die Gabe der Amazonen

Titel: Die Gabe der Amazonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Kiesow
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untersuchten wir jede einzelne Schlucht. Den Rest des Tages brachten wir damit zu, den Boden Zoll für Zoll zu prüfen, aber wir fanden nicht den kleinsten Hinweis.
    Manche Goblins klettern wie Bergziegen. Vielleicht hatten sie Viburn angeseilt und an einer Felswand hinaufgezogen, vielleicht besaßen sie hier oben einen geheimen, dämonisch gut getarnten Unterschlupf, vielleicht waren wir auch seit einiger Zeit einer falschen Spur gefolgt ... Wir sollten niemals erfahren, wohin die Goblins verschwunden waren.
     
     
     

 
     
    So wurde die siebzehnjährige Yppolita zur neuen Königin der Amazonen. Aber sie empfand den Thron als eine schwere Bürde. Dauernd waren Entscheidungen zu treffen und schwierige Dinge zu regeln. Untertanen traten vor ihren Thron, bezichtigten sich gegenseitig eines Verbrechens und erwarteten ein gerechtes Urteil von der jungen Frau, die Kläger und Beklagten für gleichermaßen schuldig oder unschuldig hielt. Für die Jagd blieb ihr keine Zeit mehr, und Yppolita sehnte sich nach den fröhlichen Gefechten mit der Schwertmeisterin.
    Bei allen Staatsdingen besprach sie sich mit ihrer Schwester Ulissa, die fast immer einen Rat wußte, wenn Yppolita sich vergeblich das Hirn zermartert hatte.
    Wenn die Versammlung im Thronsaal tagte, saß Ulissa neben der Schwester und flüsterte ihr kluge Ratschläge ins Ohr. So regierten die Schwestern gemeinsam. Yppolita war froh darüber, daß ihr die kluge Ulissa zur Seite stand.
    Aber Ulissa empfand einen tiefen Haß auf die Königin. Ein Hohlkopf, dachte sie. Eine aufgeblasene Wichtigtuerin! Sie weiß, wie man ein Schwert hält, und im Pferdestall kennt sie sich aus. Wie ein Stallbursche würde sie das Land regieren, wenn es mich nicht gäbe! Und doch sitzt sie auf dem Thron und wird verehrt und von jederfrau Meine Königin genannt.
    In jenen Tagen erzählte Yppolita, als die Schwestern einmal allein beisammensaßen, daß sie in letzter Zeit häufig an Männer denke. Seit sie bei einem Ausritt mit einem Bauernsohn gesprochen hatte, fragte sie sich immer wieder, woran es liegen mochte, daß die Männer so völlig anders als die Frauen waren. Wenn es stimmte, daß sie von soviel geringerem Wert als die Amazonen waren, warum hätte sie dann gern noch viel länger mit dem Burschen gesprochen? Warum empfand sie seine Stimme und sein Gesicht als angenehm?
     
    Die Nacht war längst hereingebrochen, als wir unsere Höhle erreichten. Wir waren so erschöpft, daß wir uns kaum noch auf den Beinen halten konnten.
    Aus irgendeinem Grund hatte ich gehofft, daß Viburn am Feuer sitzen und uns mit einer albernen Bemerkung empfangen würde, aber dort kauerte nur Larix. Mädchen lag in einem Winkel und schlief. Der Zwerg sah uns schweigend entgegen.
    »Nichts.« Elgor setzte sich schwerfällig neben der Feuerstelle nieder. »Wir haben ihn nicht gefunden.«
    Mädchen war aufgewacht. Sie blickte von einem zum anderen. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Viburn kommt nicht?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Nie mehr?«
    »Ich glaube nicht.«
    Junivera setzte sich zu ihr. Sie nahm Mädchens Kopf zwischen die Hände, behutsam darauf achtend, die Wunde nicht zu berühren, und legte ihn in ihren Schoß. »Er wird in Rondras Hallen auf dich warten. Eines Tages wirst du ihm dort wiederbegegnen.«
    Mädchen schloß die Augen, eine einzelne Träne schlüpfte zwischen den Wimpern hindurch und rollte über ihre Wange.
    »Viburn sagt, Rondra duldet keine Streuner in ihren Hallen.«
    »Ach, was der so daherredet«, brummelte Larix gutmütig. »Viburn weiß vielleicht, wie man einem Thorwaler Hetmann den Ohrring stiehlt, aber von den Göttern hat er keine Ahnung.«
    Mädchen schwieg. Ihre Schultern zuckten.
    Auch meine Augen brannten. Ich stand langsam auf und ging zum Höhleneingang. Der Mond stand voll und rund über dem Tal und warf silbergraues Licht auf Bäume, Gras und Felsen. Ich trat langsam ins Freie, wanderte hinunter zur Steinhalde und kletterte über sie hinweg. Mir war etwas eingefallen. Bald hatte ich den Platz erreicht, wo die beiden toten Goblins lagen. Auch sie waren in silbernes Mondlicht getaucht. Schwarze, kleine Schatten huschten über den Boden, als ich näher trat.
    Dicht neben der einen Leiche lag noch immer der Säbel. Ich hob ihn auf und ging zur Höhle zurück, wo Mädchen nach wie vor leise weinte. Ich legte den Säbelgriff in ihre offene Hand. »Für dich, ein Geschenk von Viburn.«
    Mädchen starrte die Waffe ungläubig an. Dann nahm sie den Griff fest in

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