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Die Gabe der Amazonen

Die Gabe der Amazonen

Titel: Die Gabe der Amazonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Kiesow
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Musikanten aufmerksam an, aber es lag unverhohlene Abwehr in ihrem Blick. Erst als sie sicher war, daß die Fremden nichts Böses im Schilde führten, entspannte sie sich.
    Die allgemeine Heiterkeit hatte sich längst auf unseren Tisch übertragen. Elgor summte das Liedchen mit, und Larix klopfte mit seinem Becher den Takt, so lange und heftig, bis der Boden zersprang. Zum ersten Mal seit Beginn unserer Reise sah ich Junivera lächeln. Ich war überrascht, wie sehr sich ihr Gesicht durch das Lächeln veränderte. Die Rondrageweihte war gewiß keine häßliche Person, aber an diesem Abend sah sie bezaubernd aus. Sie hatte freche Grübchen in den Wangen, ihre hübschen Zähne blitzten, und die großen braunen Augen funkelten.
    Einer der Kauffahrer kam an unseren Tisch, um Junivera zum Tanz aufzufordern. Sie wies ihn mit freundlichen Worten ab: Sie tanze nie, aber wenn sie es jemals täte, dann selbstverständlich nur mit ihm ...
    Ich beobachtete, daß die Bandurriaspielerin die Szene mit finsterer Miene verfolgte, und berichtete Elgor von meiner Beobachtung.
    »Unsere Priesterin hat sich eben ungewollt eine Feindin gemacht«, lachte ich.
    Zu meinem Erstaunen erschrak Elgor über meine Bemerkung. Er warf einen prüfenden Blick zu der Musikantin hinüber. Dann wandte er sich an Junivera, die gerade einen tiefen Zug aus ihrem Becher nahm: »Ich glaube, du solltest besser hinaufgehen.«
    Die Rondrageweihte sah ihn verständnislos an. »Aber warum denn? Mir gefällt es hier, und hier gibt es nichts, woran Rondra Anstoß nehmen würde. Was ist nur in dich gefahren?« Man konnte Elgor ansehen, wie sehr er nach einer Antwort suchte. Schließlich blickte er ergeben zur Decke und zuckte die Achseln.
    Kurz darauf kam der junge Bursche wieder an unseren Tisch. Inzwischen hatte er einige Bierbecher geleert, und nun bedrängte er Junivera um so hartnäckiger. Während des mit viel Gelächter gemischten Wortgeplänkels beobachtete Elgor unverwandt die Bandurriaspielerin. Als die Musik plötzlich verstummte, griff er nach Juniveras Arm.
    »Junivera, bitte, geh hinauf!«
    Doch da trat die junge Frau schon an unseren Tisch. Sie stieß den bierseligen Burschen zur Seite und zischte Junivera an:
    »Auf der Stelle hörst du auf, ihm schöne Augen zu machen, sonst ...!«
    Die Geweihte war mit einem Schlag todernst geworden.
    »Sonst – was?«
    »Sonst kratze ich dir die Augen aus, du Bauernschlampe!«
    »Junivera, sie meint es nicht so«, murmelte Elgor und setzte hastig hinzu: »Das ist keine würdige Herausforderung.«
    Die Händlerin hatte seine Worte gehört. »Nein – was ist es dann? Eine Schmeichelei? Hätte die Ackertreterin es lieber förmlicher? Also schön – ich fordere dich heraus – würdig heraus, du ... du ... Misthaufendirne!«
    Junivera wollte aufstehen, aber da wurde sie von der Fremden schon hinterrücks mitsamt des Stuhles umgerissen. Eng umschlungen rollten die beiden Frauen über den Dielenboden. Die Händlerin kämpfte wie eine Straßenkatze. Sie kratzte und spie, riß an Juniveras Kleidern und Haaren. Offensichtlich war dies nicht ihr erster Kampf, und eine Zeitlang sah es so aus, als hätte die Priesterin nicht die Spur einer Chance gegen sie. Bald hockte die Fremde rittlings auf Juniveras Bauch und hatte ihren Körper zwischen den Schenkeln eingeklemmt. Sie zielte mit ihren Fingernägeln nach Juniveras Gesicht, und als diese schützend die Arme hochriß, fetzte sie ihr über der Brust das Kleid entzwei.
    »Schau gut her, Gane!« rief sie dem betrunkenen jungen Burschen zu. »Hat sie vielleicht etwas, das ich nicht besitze?« Mädchen huschte an mir vorbei, offenbar um sich ins Kampfgetümmel zu stürzen. Ich erwischte sie am Arm und hielt sie fest. Junivera stieß sich mit aller Kraft vom Boden ab. Die Händlerin wurde abgeworfen, flog herum und erwartete kauernd Juniveras Angriff, aber die Priesterin erhob sich ohne Hast und mit gemessenen Bewegungen. Ihre Gegnerin hechtete nach ihren Beinen. Junivera wich mühelos aus und schlug der Frau mit der geballten Faust auf den Kopf. Die Händlerin stürzte schwer und kam nur mit Mühe wieder auf die Beine. Als sie kaum stand, traf sie Juniveras Faust in die Magengrube. Sie krümmte sich stöhnend zusammen. Juniveras Gesicht wurde blasser denn je, ihr Blick starr und fast gedankenverloren. In der Schenke war es totenstill. Nur das leise Wimmern der Frau war zu hören.
    Auf der Theke lagen zwei große Fleischmesser. Junivera ging mit festen Schritten zum Tresen

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