Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Gabe der Amazonen

Die Gabe der Amazonen

Titel: Die Gabe der Amazonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Kiesow
Vom Netzwerk:
mir waren noch zwei Fahrgäste – augenscheinlich Bauern – an Bord. Wie ich aus ihren Gesichtern lesen konnte, liebten sie das Wasser ebensowenig wie ich. Sie hielten den Blick starr auf die Silhouette der Stadt gerichtet und vermieden es, in die trüben Fluten zu schauen. Kaum waren wir vom Ufer abgestoßen, als uns die Strömung des Radrom ergriff und unwiderstehlich vor sich her schob. Das gefiel mir ganz und gar nicht, aber den Mann am Ruder schien es nicht zu stören. Mädchens Augen standen weit offen, doch es lag keine Furcht darin. Zappelig wie ein Kind hockte sie neben mir auf der Bank. Unentwegt schaute sie sich nach dem zurückbleibenden Ufer um, dann wieder betrachtete sie Beilunk oder das Eintauchen der Ruderblätter ins Wasser.
    Die Fahrt dauerte endlos lange. Als wir endlich das andere Ufer erreichten, war es dunkel geworden, und Beilunk lag weit hinter uns. Gerade wollte ich dem Fährmann mitteilen, wie unverschämt es von ihm sei, uns den langen nächtlichen Fußmarsch zurück nach Beilunk zuzumuten, da stieß einer der Ruderer einen Pfiff aus.
    Am Ufer erschien ein Mann mit einem Ochsengespann und warf uns ein langes Tau zu. Der Ruderer fing es auf und knotete es am Bug fest. Dann setzten sich die Ochsen in Bewegung, um uns im Schneckentempo in Richtung Stadt zu schleppen.
    Von einem Hesindetempel schallte das Nachtlied durch die Gassen, als wir endlich den Hafen von Beilunk erreichten. Ich fragte mich, weshalb ich mich darauf eingelassen hatte, die Fähre und nicht die Brücke zu benutzen.
     
    Beilunks Hafenviertel liegt außerhalb der Stadtmauern, die nur die Oberstadt umschließen. Kein Bürger, der etwas auf sich hält, baut sein Haus vor den Toren der Stadt, dort, wo die Gassen so finster sind, daß man nicht die Hand vor Augen sehen kann, und wo die Stadtgardisten niemals patrouillieren.
    Ich hatte Mädchen an der Hand genommen und tastete mich an den Hauswänden entlang. Alle Fensterläden waren geschlossen, nur hin und wieder fiel ein schmaler Lichtstreifen auf die ungepflasterte Straße. Aus der Abwasserrinne stank es nach Abfällen und Kot, aber der Geruch schien Mädchen nicht zu stören. Sie war so aufgeregt, daß sie kaum sprechen konnte. Vor jedem Fensterladen blieb sie stehen und versuchte, durch eine Ritze in den Blenden zu spähen. Ungeduldig zog ich sie hinter mir her. Wer in der Nacht zu lange durch die Straßen streift, wird irgendwann anderen nächtlichen Wanderern begegnen, und von einer solchen Begegnung versprach ich mir in Beilunks Unterstadt nicht viel.
    Wir bogen um eine Ecke und stießen auf eine Herberge. Endlich ein Haus, dessen Läden offenstanden! Heller Lichtschein fiel hinaus auf das Pflaster und auf ein paar knochige Pferde, die an einem Querbalken vor der Schenke angebunden waren. Ich warf einen raschen Blick durch ein offenstehendes Fenster. Im Schankraum waren nicht allzu viele Zecher versammelt. Mädchen hatte inzwischen schon die Tür angesteuert. Ich riß sie am Arm zurück.
    »Also gut!« flüsterte ich so eindringlich wie möglich. »Wir gehen hinein. Aber das Reden überläßt du mir.«
    »Nur wenn ich gefragt werde, ich weiß.« Mädchen nickte eifrig.
    »Nicht einmal dann.«
    Natürlich löste Mädchens Auftritt in der Hafenkneipe erhebliche Unruhe aus. Man muß das verstehen. Sicher kehrte nicht alle Tage eine mannshohe, blonde Frau in einem kurzen Fellkleidchen in dieser Taverne ein. Und Flußschiffer haben noch in keiner Stadt Wert auf einen gepflegten Umgangston gelegt.
    »Holla, holla, blondes Feuer! Komm zu uns herüber. Laß das Langohr ziehen! Es wird dir nicht halb soviel Freude bereiten wie wir!« – »Blondes Rehlein« – die Ruferin mit der kratzigen Stimme war eine breitschultrige Frau –, »hast du es schon einmal mit einer Dame versucht? Ich zeig dir ein paar Sachen, von denen du noch nicht einmal geträumt hast ...« – »Was hast du eigentlich unter dem Pelzchen?« fragte ein graubärtiger Alter. »Noch ein Pelzchen etwa? Zeig es doch einmal her!«
    Unwillkürlich zuckte ich zusammen, aber Mädchen lächelte nur freundlich und traf keine Anstalten, dem Wunsch des Zechers zu entsprechen. Wir suchten uns einen abgelegenen Tisch, und allmählich ließ das Gerede der Schiffer nach. Die verwegenen Gestalten wandten sich wieder ihren Bierbechern und Würfelspielen zu. Mädchen aber ließ nicht ab, ihre Umgebung aus großen Augen zu beobachten. Sie musterte jeden einzelnen Zecher, als ob sie ihn sich für immer einprägen müßte.
    Der

Weitere Kostenlose Bücher