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Die Gabe der Magie

Die Gabe der Magie

Titel: Die Gabe der Magie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Duey
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wieder versteckte, aber
sie rich tete sich nur ebenfalls auf und schwang hin und her, während sie
mich unverwandt anstarrte.
    »Bitte tu mir nichts«, hörte ich mich
trotz meines rasenden Herzschlages flüstern.
    Die Schlange hob sich noch höher und
zischte. Ich blieb reglos wie ein Stein sitzen. Franklin hatte geglaubt, ich
sei für den nächsten Schritt bereit, hatte Jux gesagt. Was war der
nächste Schritt?
    Die Schlange rollte sich zusammen und
hielt dabei den Blick auf mich geheftet. Sie war so dick wie mein Unterarm, und
auf ihrem Kopf erhob sich eine kleine Haube. Sie sah aus, als wüsste sie, dass
sie mich töten könnte. Ich schloss die Augen und wartete darauf zu sterben.
Würde sie mich angreifen, wenn ich mich nicht bewegte? Und was, wenn sie es
tat? Würde es wehtun? Würde ich langsam sterben? Meine Gedanken waren wirr und
laut, und aus Gewohnheit schob ich sie in meine Füße, um den Lärm zu dämpfen.
    Da hörte ich ein weiteres raschelndes
Geräusch und öffnete die Augen. Noch immer starrte mich die Schlange an, doch
inzwischen war sie etwas näher gekommen, und
ihr Körper hatte sich noch fester zusammengerollt. Auf entsetzliche Weise war
das Tier wunderschön, hörte ich meine Füße denken. Die Schlange glitt eine
Handbreit voran und öffnete das Maul. Ich starrte sie an und nahm jede einzelne
Schuppe auf, die winzige, knotige Oberfläche der gespaltenen Zunge, die
einzelnen Platten auf ihrem Bauch, die vollkommene Krümmung ihrer Giftzähne.
    Meine Furcht zu sterben ließ mich alles so
klar und deutlich wie Celias Pfannkuchen vor mir sehen. »Verbirgt das Tier
seine Gedanken im Bauch?«, hörte ich mich fragen. »Oder in seinem Schädel? Wo
hört der Geist auf, und wo beginnt bei einer Schlange der Bauch? Oder bei mir?
Warum weiß diese Schlange nicht, dass ich keine Bedrohung bin?«
    Ich spürte, wie meine Gedanken tief in
meine Zehen rutschten, als die Schlange noch näher kam. Dann, mit einem Mal,
für den Bruchteil einer Sekunde, sah ich mich selbst durch die Augen der
Schlange. Für sie war ich ein ausgestreckt daliegender Riese, entsetzlich groß,
angsteinflößend und nicht einzuschätzen.
    Mir wurde schwindelig, als ich mich so
sah. Mein Atem entfuhr mir unkontrolliert, und ich musste dagegen ankämpfen, zu
Boden zu stürzen. Ich konnte die Furcht der Schlange und ihre Feindseligkeit
nachempfinden, und auch ihre Abneigung mir gegenüber. Sie kam näher und näher,
und ich spürte, wie ihre Zunge über meine nackten Zehen fuhr, und sah die
Spitzen ihrer Reißzähne, auf denen das Gift feucht schimmerte, während sie sich
über meinen Fuß schob und den Kopf hob, um zuzuschlagen.
    Ich drängte einen einzigen Gedanken aus
meinem in ihren Körper. Es war, als würde ich einen riesigen Felsbrocken einen
Hügel hinaufschieben.
    Ich will dir nichts tun.
    Die Schlange zog sich urplötzlich zurück
und schwankte wieder hin und her. Dann drehte sie sich anmutig und langsam von
mir weg und glitt zurück in die Büsche.
    Ich musste mich übergeben.

53
     
    EINES MORGENS KEHRTE RINKAS SCHWESTER
ZURÜCK. IHREN SÄUGLING TRUG SIE BEI SICH. SIE BEFESTIGTEN eine Wiege an einem der Dachbalken und wechselten sich ab, sie zu
schaukeln, wenn das Neugeborene schrie. Sadima liebte es, wenn Sylvies winzige Tochter ihre Fingerspitzen umklammer te.
Sie liebte auch das Lächeln des Säuglings. Unwillkürlich fragte sie sich dann,
wie Micah sich wohl gefühlt haben mochte, als er sie aufzog. Hatte er sie
genauso sanft auf den Arm genommen, wie Sylvie ihr Kleines hielt? Hatte er ihr
etwas vorgesungen und sie gewiegt, während er liebevoll auf ihr Gesicht hinabsah?
Sadima wusste, dass Micah schon bald eigene Kinder haben würde. Eilig wickelte
sie das Tuch um einen Quarklaib.
    »Du kannst ab jetzt weniger arbeiten«,
sagte Rinka an diesem Nachmittag. »Obwohl ich eigentlich vorgehabt hatte, ohne
dich weiterzumachen, ist das jetzt doch nicht möglich. Die Oliven- und Pfefferkäse
verkaufen sich so gut, dass Sylvie und ich es allein nicht schaffen würden.
Aber du brauchst nicht mehr so zu schuften.«
    Sadima steckte sich wieder ihre Haare hoch
und rückte ihre Kappe zurecht. Das war genau, worauf sie gehofft hatte. Sie
drehte sich um. »Sechs von sieben Tagen?«
    Rinka lächelte. »Oder fünf. Sylvie wird
hier sein.«
    Sie legte den Kopf schief. »Ich werde dir
das Gleiche zahlen. Es ist dein Käse, der das Geschäft so angekurbelt hat.«
    »Dann kann ich mir also zwei Tage
freinehmen?«, fragte Sadima. »Und

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