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Die Gabe der Magie

Die Gabe der Magie

Titel: Die Gabe der Magie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Duey
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Arbeit, und ebenso auf dem
Heimweg. In dieser Nacht lag sie, wie gewohnt, wach, bis sie sich sicher war,
dass Franklin eingeschlafen war; dann schlich sie in sein Zimmer und blieb am
Fußende seines Bettes stehen. Er hatte sich wie ein Kind zusammengerollt, und
eine Hand war ausgestreckt, als habe er im Traum nach etwas gegriffen. Leise,
leise, sang sie, über ihn gebeugt, dreimal das ganze Lied. Dann küsste sie
seine Wange. Er regte sich, erwachte jedoch nicht, als sie auf Zehenspitzen
wieder hinausschlich.

52
     
    GERRARD SPRACH NICHT MIT MIR, SAH MICH
NICHT AN UND WARTETE AUCH NICHT AUF MICH, ALS DER ZAUBERER das nächste Mal gegen die Tür hämmerte. Er war bereits
aufgestanden, hatte gepinkelt und sein Gesicht gewaschen – und er ging durch
die Tür hinaus, während ich noch Wasser ließ. Schließlich rannte ich, gerade
noch rechtzeitig, aus dem Zimmer, um zu sehen, wie er um die erste Ecke bog.
Ich hob den Saum meines langen Umhangs hoch, sodass meine Beine Platz hatten,
rannte hinter den beiden her, und es gelang mir, aufzuholen.
    Als ich den Klassenraum betrat, sah ich,
wie alle blinzelten und mich dann anstarrten. Ich konnte mir vorstellen, was
sie dachten. Ich wollte sie anschreien, dass ich keine Ahnung hatte, was das
Austauschen des Umhangs zu bedeuten hatte. War es schwer, ein Stück Seife entstehen
zu lassen, und war der saubere Umhang die Belohnung? Oder bedeutete die grüne
Robe, dass ich eine Regel übertreten hatte und der Nächste sein würde, der auf
langsame, hässliche Weise getötet werden würde?
    Oder sollte sie nur einfach dafür sorgen,
dass mich alle hassten und dass nicht einmal mehr Levin mit mir sprechen
wollte? Dies schien mir am wahrscheinlichsten. Und wenn das der Plan gewesen
war, dann ging er auf. Einer nach dem anderen drehten sich die Jungen von mir
fort und setzten sich so, dass sie mich nicht ansehen mussten. Alle außer Luke.
Ihm gefiel es, mich anzustarren.
    Halb erwartete ich, dass Franklin etwas
sagen würde, aber das tat er nicht. Wir gingen lediglich mehrere Male die
Atemmuster durch, und er korrigierte uns hin und wieder. Dann verschoben wir
unsere Gedanken in unserem Körper. Ich riskierte einen Blick zu Will, dessen Gesicht
noch angespannter als sonst aussah, und zu Levin, der mich musterte, aber wegschaute, ehe sich unsere Bli cke
kreuzen konnten.
    Und dann entdeckte ich Somiss, der uns aus
den Schatten heraus beobachtete, und ich schwitzte vor Angst. War er hier, um
irgendetwas zu verkünden? Etwas zu tun? Aber als Franklin den Unterricht geschlossen
und den Raum verlassen hatte, verschwand auch Somiss wieder.
    Wir standen auf. Ich war am weitesten vom
Eingang entfernt, und ich spürte fünf
Augenpaare in meinem Rücken.
    »Hahp wird mit mir mitkommen«, sagte eine
Stimme.
    Wir alle fuhren herum und sahen zur Tür.
Ein Zauberer war eingetreten. Ich hatte ihn noch nie zuvor gesehen, da war ich
mir sicher, denn ich hätte mich an seine Narbe erinnert. Die breite, tiefrote
Linie zog sich ungleichmäßig über seine Kehle, dann seitlich empor und
verschwand schließlich hinter seinem rechten
Ohr. Seine Augen wa ren schwarz und so kalt wie der Steinfußboden. Ich
spürte Angstschweiß zwischen meinen Schulterblättern.
    »Geht«, sagte er und bedeutete den anderen
mit einer Geste, dass sie uns allein lassen
sollten. Ich zitterte, dreh te mich halb zur Seite und dachte darüber
nach, davonzurennen. Wenn ich es bis zur Halle der Hoffnung schaffte, könnte
ich vielleicht lange genug von meinen versteckten Vorräten leben, um einen Weg
aus diesen verdammten Tunneln herauszufinden.
    Ich spähte zur Tür.
Die anderen waren fort, aber Ger rard hatte sich zurückfallen lassen
und sah über seine Schul ter. Auf seinem Gesicht malte sich Neugierde. Keine
Furcht, kein Entsetzen, kein Mitleid.
    Neugierde.
    »Mein Name ist Jux«, sagte der Zauberer.
»Franklin sagt, du seist bereit für den nächsten Schritt.«
    Mein Herz setzte einen Schlag aus.
    Ich spürte, wie mir Tränen der
Erleichterung in die Augen stiegen, und blinzelte sie weg. Oder log der Mann,
um mich davon abzuhalten, davonzurennen?
    »Franklin irrt sich nur selten«, fügte Jux
hinzu.
    Ich nickte schwach, um ihm zu verstehen zu
geben, dass ich ihn gehört hatte. Aber auch wenn er erwartet hatte, dass ich
etwas sagte, so konnte ich es nicht. Ich war kaum in der Lage, aufrecht
stehenzubleiben.
    »Folge mir«, sagte er, und irgendwie
schaffte ich es. Er lief so schnell wie die anderen Zauberer, vielleicht noch
rascher.

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