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Die Gabe der Magie

Die Gabe der Magie

Titel: Die Gabe der Magie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Duey
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antun würde, wenn er ihr Geheimnis
enthüllte, und trotzdem wagte sie es. Sie hatte Angst vor ihm – und sie hatte
Angst um Franklin –, aber man konnte Somiss nicht trauen und ihn zum einzigen
Bewahrer der alten Lieder machen. Rinkas Erides hatte recht. Das Wissen sollte
niemals einer einzigen Person vorbehalten bleiben.
    Es war leicht gewesen, ein Versteck zu
finden. Rinka machte es nichts aus, dass sie einige Dinge im Hinterzimmer
aufbewahrte. Mit den Schuhen und dem neuen Schal hatte es angefangen. Nun lag
alles in einer angestoßenen Käseschachtel verstaut, die Rinka ihr überlassen
hatte. Sadima legte den wachsenden Stapel Papier auf den Boden des Behältnisses
und bedeckte ihn mit dem Bild des alten Baumes, das sie gemalt hatte, und dem
ältesten ihrer Kleider. Es war inzwischen fadenscheinig und nicht mehr tragbar,
aber voller Erinnerungen an ihr Zuhause, sodass sie es behalten hatte.
    Eines Tages kam Sadima von der Arbeit
zurück und stieß mit Somiss zusammen, der gerade aufbrechen wollte.
    Sie senkte den Kopf, um seinen Blick zu
meiden, und er schob sich mit weniger Interesse an ihr vorbei, als er für das
Geländer, auf dem seine Hand lag, oder den Steinboden unter seinen Stiefeln
aufbrachte. Er nickte ihr lediglich kurz zu.
    Sadima hoffte, dass Franklin zu Hause war
und sie wenigstens ein bisschen Zeit miteinander verbringen konnten, und so
hastete sie die Treppe hoch. Aber die Wohnung war leer. Und das wiederum bot
ihr eine so seltene Gelegenheit, dass ihr fast schwindelig wurde. Sie rannte in
die Küche, setzte auf dem Weg dorthin den Tragesack mit den Lebensmitteln für
den Tag auf der Anrichte ab und stellte sich neben das kleine Fenster. Sie
öffnete die Balkontür einen winzigen Spalt und schaute Somiss so lange
hinterher, bis sie sicher war, dass er außer Sicht war. Dann füllte sie einen Topf
mit heißem Wasser aus dem Kessel und warf zwei Handvoll Gerste, eine gehäutete
Zwiebel und das Rindfleisch, welches sie gekauft hatte, hinein.
    Zitternd öffnete sie anschließend die
Haustür und ließ einen suchenden Blick über die Treppe gleiten; dann verriegelte
sie die Tür und rannte über den Flur. Sicherheitshalber klopfte sie an
Franklins Tür und rief seinen Namen. Dann machte sie die Tür auf, um sich zu
vergewissern, dass er nicht da war. Und erst dann wagte sie sich in Somiss’
Zimmer.
    Dort lagen so viele Papiere herum, dass
Sadima bezweifelte, ob sie je die Lieder der Zigeuner finden würde. Schließlich
fielen ihr die kleinen Zahlen ein, die Franklin in die Ecken geschrieben hatte.
Sie nahm sich ein Ende von Somiss’ Arbeitstisch vor und blätterte rasch jeden
Stapel durch. Als sie die Hälfte der Notizen durchsucht hatte, entdeckte Sadima
die winzige Nummerierung in den rechten Ecken, und sie zog die Lampe näher
heran, um die Seiten zu zählen. Es waren zehn. Dies also waren die Originale.
    Mit ihnen in der Hand rannte sie zum Tisch
im Wohnzimmer. Als Erstes nahm sie sich Somiss’ täglichen Arbeitsstapel vor und
schrieb eine einzige Seite ab, dann fügte sie einige Zeilen auf einer zweiten
Seite hinzu und legte sie an den Rand. Und nun flog ihre Hand nur so über das
Papier. Sadima schrieb die Zigeuner-Version des Liedes für ein langes Leben ab,
anschließend die Übersetzung. Sobald sie fertig war, versteckte sie das Blatt
mit Hannahs Version in der Küche, eilte zurück zum Tisch und begann mit der
nächsten Seite. Als sie schließlich Stimmen hörte, hatte sie, bis auf eines,
alle Lieder abgeschrieben.
    Sie sprang auf, versteckte die beiden
letzten Bögen in der Küche, rannte den Flur hinunter und legte die Zigeu ner-Lieder wieder auf Somiss’ Arbeitstisch. Dann
wirbel te sie herum, schloss hinter sich die Tür und schaffte es gerade
so eben, die Haustür zu entriegeln, ehe Somiss die Klinke herunterdrückte, und
saß wieder auf ihrem Stuhl, als Somiss und Franklin eintraten. Sie zwang sich
zur Ruhe, rieb sich die Augen und tat so, als würde sie gähnen.
    Keiner der beiden sprach ein Wort, aber
Franklin lächelte müde. Somiss ging geradewegs in sein Zimmer, und Franklin zögerte, dann folgte er ihm den Flur
hinun ter. Sadima schnitt Karotten und Sellerie in die Brühe, um eine
ordentliche Suppe zu bekommen. Danach arbeitete sie fieberhaft daran, weitere
Seiten abzuschreiben, ehe Franklin zurückkam.
    Spät in der Nacht übte sie die Version des
Liedes für ein langes Leben aus dem Zigeuner-Buch, bis sie es auswendig kannte.
Am nächsten Tag sang sie es den ganzen Weg zur

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