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Die Gabe der Magie

Die Gabe der Magie

Titel: Die Gabe der Magie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Duey
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kletterten, um sich die Sterne anzusehen und mit
Freunden zu reden. Ich hatte meiner halben Klasse den Weg hinauf aufs Schuldach
gezeigt. Ihre Väter waren offenkundig freundlicher als meiner gewesen, denn sie
hatten nie einen Grund dafür gehabt, fliehen zu müssen. Ich sah hinauf zur Steindecke.
Wie lange würde es dauern, bis ich wieder auf einem Dach sitzen konnte? Würde
ich je wieder die Gelegenheit dazu haben?
    Ich musste eingeschlafen sein, denn ich
erwachte davon, dass einer der Zauberer an die Tür hämmerte. Dieses Mal war es
ein großer, dünner Mann mit einer hohen Stimme. Ich fragte mich, warum es jedes
Mal ein anderer Zauberer war. Dafür musste es doch einen Grund geben. Vielleicht zogen sie Strohhalme, und der Verlierer
muss te die Schüler führen?
    Franklin hielt eine weitere seiner
lächerlichen Unterrichtsstunden ab und erklärte uns, dass wir es fühlen sollten,
wie sich die Luft hinein und wieder heraus bewegte. Niemand konnte sich
konzentrieren, glaube ich. Ich jedenfalls vermochte es nicht. Es war eine Qual
für mich, zu wissen, dass sich in meinem eigenen stinkenden
Raum, also in greifbarer Nähe, Nahrungsmittel befanden, an die ich aber nicht gelangen
konnte. Gerrard schien keinerlei Schwierigkeiten zu haben, sich zu konzentrieren.
Er wirkte ruhig und gefasst. Warum auch nicht? Er wusste, dass er etwas essen
konnte, wann immer er wollte.
    Am Ende des Unterrichts hob Will die Hand,
so wie es jeder andere in einem gewöhnlichen Klassenzimmer auch tun würde.
Franklin machte eine Geste. »Ja?«
    »Ich bin hungrig.« Wills Stimme war die
Verzweiflung anzuhören.
    Franklin nickte. »Ich
weiß. Ihr habt alle Hunger.« Dann zögerte er und erhob sich mühsam mit seinen
langen Beinen. »Hat Somiss euch erklärt, wie man Nahrung macht?«
    Wir alle schüttelten den Kopf, und
Franklin stand völlig reglos da. Sein Gesicht war glatt und ruhig, aber ich
glaubte, Zorn in seinen Augen zu sehen. »Nach der nächsten Unterrichtsstunde«,
versprach er nach einigem Schweigen, »werde ich es euch zeigen.«
    Mein Herz schlug hasenschnell in meiner
Brust. Ich konnte es nicht abwarten, dass er uns endlich in den Speisesaal
führte und weitere Nahrungsmittel erschuf, sodass wir uns ohne Kämpfe satt
essen konnten. Dann würde er uns geduldig zusehen, wie wir übten, bis
wir uns alle selbst unsere Mahlzeiten erscheinen lassen konnten. Ich warf den
anderen einen Blick zu. Ihre Gesichter spiegelten wider, was ich fühlte – wir
waren verraten worden und fürchteten uns. Warum mussten wir noch warten? Franklin
hatte immer freundlicher als Somiss gewirkt, aber auch ihn schien es nicht zu
kümmern, dass die meisten von uns Magenkrämpfe hatten.
    Als wir wieder in unserem Raum waren, aß
Gerrard ein bisschen was, dann drehte er
sich um und sah mich an. »Du solltest lernen«, sagte er gleichmütig. »Je
mehr du über deinen Bauch nachdenkst, umso mehr tut er weh.« Dann griff er nach
seinem Geschichtsbuch und ließ sich auf sein Bett sinken.
    Ich starrte erst ihn an, dann die
Nahrungsmittel auf seinem Schreibtisch. Er hatte kaum etwas gegessen – die
meisten Vorräte lagen noch dort –, aber er hatte doch etwas zu sich genommen.
»Ich brauche deinen Rat nicht«, sagte ich und spürte, wie sich Zorn in meiner
Brust breitmachte. »Du bist nicht derjenige, der verhungert. Du hast mehr als
nur deinen Teil abbekommen, und jetzt tust du so …«
    Wie ein Tier machte Gerrard einen Satz auf
mich zu, seine Augen waren schmal geworden, und sein Gesicht befand sich mit
einem Mal nur Zentimeter vor meinem Gesicht. »Du weißt nicht das Geringste von
mir, du verzogenes Stück Abschaum.« Er hob seine rechte Faust, und ich glaubte,
er würde mich schlagen. Aber das tat er nicht. Stattdessen ließ er sie wieder
sinken, und auf seinem Gesicht lag ein merkwürdiger Ausdruck.
    »Verstehst du denn überhaupt nichts? Die
Zauberer versuchen nicht nur, uns Angst zu machen. Sie meinen, was sie sagen.
Sie werden uns sterben lassen. Und sie hoffen, dass wir untereinander kämpfen
werden.«
    Ich starrte ihn an. »Dann sind sie alle
verrückt«, sagte ich leise.
    Gerrard schüttelte den Kopf. »Nein, das
sind sie nicht. Alles Schreckliche, das sie uns antun, hat einen Grund. Alles.
Der erste Tag, an dem wir uns hier im Zimmer verlaufen haben«, mit der Hand
beschrieb er einen Halbkreis durch unseren kleinen Raum, »oder dass sie uns so
hungern lassen. Die Unterrichtsstunden …«
    »Atemstunden?«, unterbrach ich ihn. »Atmen?«
    Seine Augen

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