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Die Gabe der Magie

Die Gabe der Magie

Titel: Die Gabe der Magie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Duey
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wurden schmaler. »Natürlich.
Es ist, als müssten wir kriechen, ehe wir …« Dann schüttelte er den Kopf und
drehte mir den Rücken zu. Er sagte kein einziges weiteres Wort, und mein
hungriger Magen und die ungezügelten Gedanken fanden erst einige Augenblicke
später die Erklärung dafür. Ihm war mitten im Satz klargeworden, dass er mir
vielleicht helfen würde.

25
     
    SADIMA ERWACHTE VON EINER SANFTEN
BERÜHRUNG AN DER SCHULTER. FRANKLIN BEUGTE SICH ÜBER IHR Nachtlager. »Somiss wird einen halben Tag lang fort sein«, sagte
er. »Er muss seine Mutter überreden, uns zu helfen, und sein Vater ist heute
Morgen nicht da.«
    Sadima wischte sich die Haare aus dem
Gesicht. Sie hatte gehofft, sie würden beide lange genug fort sein, dass sie
ein Bad nehmen und ihr Kleid reinigen könnte.
    »Ich will dir etwas zeigen«, sagte
Franklin. »Beeil dich.«
    Sadima rollte ihre Decken zusammen und
wusch sich. Vielleicht würde er sie zum Meer bringen? Sie warf einen Blick in
den Durchgang, während sie sich das Gesicht abtrocknete, und merkte, wie ihr
Mut sank. Nicht das Meer, nicht heute. Franklin saß am Tisch und wartete auf
sie. Neben ihm lag ein Stapel von Somiss’ feinem weißem Papier, und er hatte
zwei Federkiele und ein Tintenfass mitgebracht. Zwei Federkiele. Sadima spürte,
wie sich ihr die Nackenhaare aufstellten.
    »Versuch mal, ob du das abschreiben
kannst«, sagte er, als sie sich neben ihn gesetzt hatte. Er zeichnete rasch
drei Striche aufs Papier.
    Sadima nahm die Feder in die Hand. Sie
fühlte sich seltsam ungelenk in ihrer Hand an, aber gleichermaßen auch vertraut.
Sie hatte ungefähr die gleiche Größe wie die Malpinsel, die Micah für sie
gekauft hatte, einen nach dem anderen, verborgen in seinen Taschen. Ein Stich
durchfuhr ihren Körper. Sie vermisste das Malen – und sie vermisste ihren
Bruder. Sie dachte an die Künstler auf dem Marktplatz. Ursprünglich hatte sie
vorgehabt, zurückzugehen und sich mit ihnen zu unterhalten, aber es gab immer
noch ein Hemd zu waschen und eine Mahlzeit zu kochen.
    »Sadima? Versuch es doch einfach.«
    Sie warf einen Blick auf Franklins
Zeichnung und ahmte sie nach.
    Er sah erstaunt aus. »Das ist perfekt.
Versuch es mal hiermit. Das ist ein S – der erste Buchstabe deines Namens.«
    Sadima kopierte, was er gezeichnet hatte,
und er sagte ihr den Namen von zwei weiteren Buchstaben. Sie wiederholte sie.
Dann, ohne dass er sie dazu auffordern musste, malte sie beide ein weiteres Mal
und hoffte, ihm damit ein Lächeln zu entlocken.
    Franklin zog sie auf die Beine und küsste
ihre Stirn, dann ließ er sie los, und sie konnte sich wieder hinsetzen.
»Versuch das.« Dieses Mal schrieb er rasch, und seine Finger führten den
Federkiel in winzigen Kurven und Bögen. Sadima ließ den Blick von seinem Papier
zu ihrem wandern und malte die Buchstaben beinahe ebenso schnell ab, wie er sie
geschrieben hatte.
    Franklin lächelte. »Du könntest schon
heute damit anfangen, Abschriften von allem, woran Somiss arbeitet,
anzufertigen, ob du nun lesen kannst, was du geschrieben hast, oder nicht. Das
ist erstaunlich. Ich kenne niemanden, der etwas beim ersten Mal schon so
makellos übertragen konnte wie du.« Er schrieb ihren Namen, und sie kopierte
ihn mühelos. Dann versuchte sie sich an seinem Namen. »Wie kommt es, dass dir
das so gut gelingt?«, fragte er.
    »Ich male« sagte Sadima, die bei seinen
anerkennenden Worten errötete. »Ich meine, ich habe früher gemalt. Nur Blumen
und Bäume und den Himmel«, fügte sie hinzu, denn sie wollte auch nicht übertreiben.
»Und Porträts meiner Ziegen.«
    Er nahm das Übungsblatt und legte ihr ein
neues Stück Papier hin. Dann ging er zum Schrank und kam mit einer Seite von
Somiss’ Notizen zurück. Sie schrieb sie ab und achtete sorgfältig darauf, nach
jedem seltsamen, kleinen Punkt einen kleinen Zwischenraum frei zu lassen,
genau, wie Somiss es getan hatte.
    Franklin nickte
lächelnd. »Das wird Somiss ein für al le Mal davon überzeugen, dich hier bei uns zu behalten«, sagte er.
»Er hasst es, Abschriften anzufertigen, und mit meinen ist er nie zufrieden. Du
bleibst sitzen, während ich koche. Du hast es dir verdient, das Frühstück gemacht
zu bekommen, Mylady.« Sadima lachte. Während er Wasser holen ging, starrte sie
einen Augenblick lang auf das Übungsblatt, dann ließ sie es rasch in dem Kästchen
verschwinden, in dem sie ihre Farben aufbewahrte. Ihr Name und der von Franklin,
Seite an Seite. Sie verfolgte die Linien der

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