Die Gabe der Magie
und
schwiegen. Dann stieß Franklin die Luft aus, drehte sich um und lief zurück ins
Wohnzimmer. »Somiss, bitte.«
Sadima hörte, wie die Tür aufgemacht
wurde. Als Schritte zu vernehmen waren, wappnete sie sich, aber Somiss sah
mürrisch aus, nicht wütend. »Wenn es denn sein muss, dann lasst uns gehen«,
sagte er gelangweilt und drehte sich zur Tür. Franklin warf sich den Sack mit
der Verpflegung über die Schulter, und Sadima und er eilten Somiss hinterher.
Somiss schaute sich nicht nach ihnen um, als er durch den breiten Flur lief und
durch die Eingangstür hinaustrat.
Franklin rannte einige Schritte, um
aufzuschließen, und Sadima tat es ihm verstimmt nach. Somiss lief schneller,
als sie ihn je hatte laufen sehen. »Ich habe einen bestimmten Ort im Sinn«,
sagte Franklin. Somiss wurde nicht langsamer und würdigte ihn auch keiner Antwort. »Es ist eine Stelle, an die du
dich sofort erin nern wirst,
wenn wir da sind«, fügte er hinzu. Noch immer erntete er keine Reaktion.
Sadima machte größere Schritte. »Wo ist
das?«, fragte sie Franklin laut genug, dass Somiss es hören musste.
Franklin warf ihr
einen dankbaren Blick zu. »Ein we nig außerhalb der Stadt in den …«
»Außerhalb von Limori?«, fragte Somiss,
blieb stehen und drehte sich um.
»Franklin, nein. Ich kann nicht so lange
fort von …«
»Das musst du aber«, unterbrach ihn
Franklin. »Wem nützt es denn, wenn du stirbst, ehe das Jahr um ist?« Er packte
Somiss an den Schultern und sah ihm fest in die Augen. »Du hast es versprochen:
einen ganzen Tag draußen, ohne dass wir über die Arbeit sprechen.«
Somiss schüttelte den Kopf: »Ich meinte
einen Tag irgendwann einmal, nicht diesen Tag.«
Franklin ließ nicht locker. »Du hast es
versprochen. Einen Tag ohne Arbeit.«
Somiss schüttelte den Kopf, während
Franklin im gleichen Moment nickte. Beide lachten. Sadima sah, wie sich ihre
Blicke kreuzten, und wusste, dass beide irgendetwas teilten, vielleicht die
Erinnerung an ein altes Spiel aus ihren Kindertagen, etwas Unbeschwertes aus
besseren Zeiten.
»Ich kann mich nicht daran erinnern, wann
ich das letzte Mal gelacht habe«, sagte Somiss leise.
Franklin stieß die Luft aus. »Ich auch
nicht.«
Somiss sah hinauf in den Himmel und
blinzelte im Sonnenlicht. Sadima beobachtete ihn, als er den Blick wieder senkte,
um Franklin anzuschauen, und sie trat einen Schritt zurück, weil sie sich wie ein
Eindringling fühlte.
»Und du bist viel zu dünn«, sagte
Franklin.
Somiss runzelte die Stirn. »Bin ich?«
»Ich muss mal einen Spiegel kaufen, damit
du dich selbst davon überzeugen kannst.«
»Poliertes Metall wird mir nichts zeigen,
was ich nicht schon weiß«, sagte Somiss. »Ich bin dünn. Meine schlabbernden
Hosen sagen mir das jeden Morgen.«
Sadima lachte auf, dann schlug sie die
Hand vor den Mund. Sie hatte ihn noch nie einen Witz machen hören. Somiss
drehte sich zu ihr um. »Es tut mir leid«, sagte sie rasch.
Aber er schüttelte den Kopf. »Das war ein
Scherz, und du hast gelacht. Franklin ist derjenige, der sich entschuldigen
sollte, denn er hat keine Miene verzogen.«
Er hob langsam die Mundwinkel, und das
Lächeln sah seltsam aus in seinem hageren, knochigen Gesicht.
Dann setzte er sich wieder in Bewegung;
Sadima war froh, als er davonging. Sie hatte ihn noch nie außerhalb der Wohnung
gesehen, fiel ihr mit einem Mal auf. Die strahlende Sonne ließ seine Haare wie Herbststroh
leuchten, und seine Augen wirkten beinahe klar.
»Und das war auch ein Scherz«, rief ihr
Somiss über die Schulter hinweg zu. »Ich meine, dass Franklin sich
entschuldigen soll.«
Franklin warf Sadima einen Blick zu. Dann
stieß er ein albernes, hohes und offenkundig unechtes Lachen aus. Somiss
tadelte ihn dafür, dass er viel zu wenig und viel zu spät erst lachte. Franklin
entschuldigte sich ausgiebig und erklärte, dass er eher gelacht hätte, wenn der
Witz komisch gewesen wäre. Somiss streckte den Arm aus und gab Franklin einen
Schubs gegen die Schulter, sodass dieser beinahe das Gleichgewicht verloren
hätte.
Sadima, die hinter den beiden lief,
schaute ungläubig zu. Sie hatte bei Somiss noch nie ein Zeichen von Humor
erkennen können, und selbst bei Franklin gab es nur selten solche Anflüge. Noch
nie hatte sie gesehen, dass sich einer der beiden auf diese Weise aufführte.
Während sie weiterliefen, hörten sie nicht auf, sich gegenseitig mit kleinen
Sticheleien zu beleidigen, als wären sie noch Jungen und nur halb so alt wie
Weitere Kostenlose Bücher