Die Gabe der Patricia Vanhelsing - 5 Patricia Vanhelsing-Romane (Sonderband) (German Edition)
Parapsychologie streiften. Denn zusätzlich zu ihrer außerordentlich reichhaltigen Bibliothek, die Tante Lizzy immer wieder durch Aufkäufe aus Nachlässen und Haushaltsauflösungen erweiterte, verfügte sie auch noch über ein reichhaltiges, stets aktuell gehaltenes Pressearchiv zu diesem Themengebiet.
Ich fand Tante Lizzy - wie so oft - in der Bibliothek. Sie war über der Lektüre eines dicken Folianten eingeschlafen. Aber als ich das bemerkt hatte, war es bereits zu spät. Eine der uralten Parkettbohlen hatte ein lautes, durchdringendes Knarren von sich gegeben, und Tante Lizzy war sofort wach.
"Tut mir leid..", brachte ich gerade noch heraus. Tante Lizzy lächelte, machte eine wegwerfende Geste und seufzte dann hörbar.
"Nicht weiter schlimm", meinte sie dann. "Man sollte nicht zuviel Zeit in seinem Leben verschlafen. Die Augen hat man noch lange genug geschlossen..." Sie erhob sich und sah mich an. "Bist du mit deiner Story weitergekommen?" fragte sie. Ich hatte mit ihr über den Fall Thornhill gesprochen, der sie auf Grund ihrer - wenn auch flüchtigen - Bekanntschaft sowohl mit Sir Malcolm als auch mit seiner Witwe brennend interessierte.
"Wie man es nimmt", meinte ich. "Im Grunde tun sich immer nur noch weitere Rätsel auf..." Ich berichtete ihr von dem Knochenpulver und davon, daß Sir Malcolm möglicherweise versucht hatte, einen Uksaki zu beschwören.
"Uksaki...", murmelte Tante Lizzy nachdenklich. "Kann sein, daß ich das Wort schon irgendwann einmal gehört habe, aber..." "Es soll sich um Geister-Tiger handeln, die von verschiedenen Völkern der sibirischen Taiga bis heute als Jagd-und Glücksgötter angebetet werden", erklärte ich.
"Ja, möglicherweise habe ich mal etwas darüber gelesen..."
"Vielleicht in den Briefen, die du mit Sir Malcolm gewechselt hast?"
"Oh, das ist schon derart lange her, mein Kind... Nein, das glaube ich eigentlich nicht."
"Ich hatte eine Vision, Tante Lizzy", sagte ich dann. Tante Lizzy sah mich sehr aufmerksam an. Ich berichtete ihr von dem, was ich gesehen hatte. Von dem Tiger, von der Höhle, von der grünen Flamme und den Haufen von Gebeinen... "Es dauerte nur einen Sekundenbruchteil", sagte ich. "Dann war es vorbei...Aber ich hatte diese Vision genau in dem Moment, als ich auf eine seltsame Zeichnung blickte, die in den Marmor eines Tisches eingraviert war. Eine Zeichnung, wie sie zur Beschwörung eines Uksaki verwandt wird..."
"Möglicherweise hat Sir Malcolm tatsächlich ein solches Wesen beschworen", gab Tante Lizzy zu. "Kannst du mir diese Zeichnung in etwa aufmalen?"
"Ich kann es versuche..."
"Ich werde auf jeden Fall mal in meinem Archiv stöbern... Irgend etwas werde ich mit Sicherheit finden... Was macht übrigens dein Mr. Hamilton?"
"Mein Mr. Hamilton hat heute abend noch etwas vor."
"Ach - ohne dich? Mein Kind, das ist kein gutes Zeichen. Und dabei kennt ihr euch doch noch gar nicht so lange..."
"Er ist für den NEWS unterwegs!"
"Ach!"
"Ja. Mr. Swann hat ihn bekniet Ray Dellingson vom Sport zu vertreten. Der ist nämlich krank geworden und
ausgerechnet heute gibt es hier in London einen Boxkampf, der angeblich unwahrscheinlich wichtig sein soll..." Tante Lizzy sah mich voller Verständnis an. "Da hätten mich auch keine zehn Pferde hinbekommen, Patti! Nicht einmal in Frederiks Begleitung!"
*
Am nächsten Morgen überraschte Tom mich vor dem
Verlagsgebäude der LONDON EXPRESS NEWS mit einem Kuß
und
einer Überraschung. "Ich weiß, wo unser Freund Norman Garrison steckt", erklärte er.
Ich sah ihn erstaunt an.
"Und?"
"Er hat eine Maschine nach Moskau genommen."
"Wie hast du das herausgefunden?"
"Ein Bekannter hat einen Bekannten, der sich mit Computern auskennt!"
"Ein Hacker also!"
"Kein sehr schönes Wort dafür. Jedenfalls ist er an die Daten des Flughafencomputers herangekommen..."
"Was könnte Garrison in Moskau wollen?"
"Vielleicht nur eine Zwischenstation."
"Und weshalb vermutest du das?"
Er zuckte die Achseln. "Vielleicht nur so etwas wie Intuition!" neckte er mich. "Nein, im ernst. Er hat hier in London gleich einen Weiterflug nach Irkutsk gebucht..."
"Das liegt ja..."
"Mitten in Rußland, ja."
"Was kann er dort wollen?"
"Wenn wir das wüßten, wären wir vielleicht schon einen Schritt weiter."
*
Zwei Tage später rief Mrs. Thornhill mich aufgeregt in der Redaktion an. Ein Dutzend Kriminalbeamte wären zur Zeit bei ihr zu Hause und würden jeden Winkel der Villa unter die Lupe nehmen.
"Was soll ich jetzt machen?"
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