Die Gabe der Patricia Vanhelsing - 5 Patricia Vanhelsing-Romane (Sonderband) (German Edition)
ihm ganz gute Karten hast..."
*
Michael T. Swann machte ein sehr skeptisches Gesicht, als wir ihm am nächsten Morgen in seinem Büro gegenübersaßen. Er war hinter seinem überladenen Schreibtisch hervorgetaucht und hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Die Krawatte hing ihm wie ein Strick um den Hals, und die Ärmel seines Hemdes waren bis zu den Ellenbogen hochgekrempelt.
Michael T. Swann atmete erst einmal tief durch.
"Eine Story über den Schutz der letzten 400 Amur-Tiger", murmelte er dann und schloß eine Sekunde lang die Augen.
"Die die LONDON EXPRESS NEWS kaum etwas kosten wird!" gab
ich zu bedenken. "Und vielleicht bekommen wir ganz nebenbei etwas über die Hintergründe des Thornhill-Falles heraus. Schließlich führen alle Spuren dorthin!"
Swann nickte.
"Gut", sagte er schließlich. "Ich bin unter den gegebenen Umständen ausnahmsweise bereit, mich auf so eine Sache einzulassen." Er umrundete seinen Schreibtisch, musterte erst mich, dann Tom. "Sie scheinen ein sehr starkes Interesse an dieser Story zu haben, Mr. Hamilton!" stellte Swann dann fest. "Ihre hervorragenden internationalen Kontakte in Ehren
- aber bislang haben Sie diese nie derart wirkungsvoll für die NEWS arbeiten lassen!"
"Nun..."
"Was ist es, was Sie an der Sache so fasziniert?"
"Ich war schon mal in dem Gebiet. Vielleicht ist es das!" Swann wirkte sehr nachdenklich.
Er nickte langsam.
"Na, immerhin wissen Sie dann ja, daß es da um diese Jahreszeit ziemlich kalt ist. Zwanzig, dreißig Grad unter Null sind keine Seltenheit, sondern der Normalfall."
"Keine Sorge, Mr. Swann, wir werden uns entsprechend ausrüsten!"
"Aber daß mir keiner von Ihnen auf die Idee kommt, irgendwelche Kleidungsstücke auf die Spesenabrechnung zu setzen!"
*
Tante Lizzy seufzte. Sie war ziemlich entnervt und setzte sich schließlich die Lesebrille ab. Bis weit nach Mitternacht hatte ich zusammen mit ihr über den Aufzeichnungen von Sir Malcolm gesessen.
Aber der Versuch, den verschlüsselten Passagen irgendeine Bedeutung einzuhauchen, war bislang gescheitert.
Selbst mit Hilfe der Schriften des mysteriösen von Schlichten-Schülers K.M.X.
"Sir Malcolm scheint sein Verschlüsselungssystem nur in Ansätzen von K.M.X übernommen und dann sehr eigenständig weiterentwickelt zu haben", meinte Tante Lizzy. "Ich fürchte, es kann hundert Jahre dauern, bis wir hier so etwas wie einen Sinn hineinbringen!"
Sie sah mich an.
"Wann fliegt ihr?" fragte sie dann.
"Tom hat die nächste Maschine nach Moskau gebucht. Morgen mittag..."
"Paß auf dich auf. Versprichst du mir das, Patti?" Ich versuchte ein Lächeln und gähnte dabei. Das gab eine seltsame Mischung aus beidem, die sowohl Tante Lizzy als auch mich unwillkürlich zum Lachen brachte.
"Du solltest dir nicht zuviel zumuten", meinte Tante Lizzy dann.
"Ich bin kein bißchen müde, Tante Lizzy..."
"Ja, das glaubst du jetzt."
"Ich würde keine Ruhe finden."
"Wegen deiner..."
Ich nickte.
"Ja, genau. Wegen der Vision. Glaubst du, ich werde sie dort finden, diese Höhle?"
"Am Amur?" Sie zuckte die Achseln.
"Jedenfalls sieht sie jenen Höhlen ziemlich ähnlich, die du mir in Onkel Frederiks Büchern gezeigt hast..." Ich erhob mich aus dem zierlichen Sessel, in dem ich die ganze Zeit über gesessen hatte. Dann nahm ich das Notizbuch von Sir Malcolm vom Tisch. Es hatte dort aufgeschlagen gelegen. Ich betrachtete die verschlüsselten Passagen. Kolonnen von Zeichen, Zeile um Zeile ohne erkennbaren Sinn, ohne Regelmäßigkeit ohne all das, was uns einen Ansatzpunkt gegeben hätte, um die Bedeutung dieser Passagen zu entschlüsseln.
Ich schluckte.
Für den Bruchteil eines Augenblicks sah ich dann vor meinem inneren Auge wieder jene Berge von Gebeinen. Tierischen Gebeinen!
Und diese Gebeine setzten sich zu vollständigen Skeletten zusammen. In atemberaubender Geschwindigkeit geschah das. Ein unheimliches Leben erfüllte die aufgehäuften Knochen und innerhalb eines Augenaufschlags sah ich Dutzende von fauchenden Tigern mit weit aufgerissenen Mäulern und ausgestreckten Pranken losspringen...
Ein Angriff!
Ich schrie plötzlich auf.
Die Vision war vorbei.
Meine Hand hielt sich an etwas fest. Und es dauerte einige Augenblicke, ehe ich begriff, daß es der Unterarm von Tante Lizzy war, um den ich mich gekrallt hatte. Sie war neben mich getreten und sah mich besorgt an.
Ich atmete tief durch.
"Es ist eine schreckliche Gefahr", murmelte ich. "Eine Gefahr, die von diesen Uksaki ausgeht... und von der
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