Die Gabe der Patricia Vanhelsing - 5 Patricia Vanhelsing-Romane (Sonderband) (German Edition)
kaum reichen!"
"Oh, ich glaube schon, Tom!"
Wir schmiegten uns aneinander, obwohl wir uns gegenseitig durch das dicke Futter unserer Anoraks kaum spüren konnten.
"Gibt es hier nicht ein Gasthaus oder so etwas - wo man sich etwas aufwärmen kann?"
Tom lächelte.
In seinen grüngrauen Augen blitzte es.
"Wir haben den Zug gerade erst verlassen!" gab er zu bedenken.
"Trotzdem - ich komme mir vor, als wäre ich in einem Tiefkühlfach gelandet!"
"Von den Temperaturen her könnte das in etwa hinkommen, Patti!" Er löste sich von mir, und der kalte Nordwind traf mich jetzt wieder mit voller Wucht und Schärfe. Die Kälte schmerzte an den Wangen, und ich nahm mir vor, den Schal das nächste Mal so zu binden, daß der Großteil des Gesichtes, davon bedeckt war. Tom nahm zwei Taschen vom Boden auf, die wir mit uns führten.
"Komm", sagte er. "Laß uns hier ein bißchen umsehen. Von diesen Häusern hier sieht zwar keines wie ein Hotel aus, aber... Man kann ja nie wissen."
*
Es gab kein Hotel oder Gasthaus in Jerofei Pavlowitsch. Aber dafür so etwas wie ein Geschäft. Von der Angebotspalette ähnelte es einem amerikanischen Drugstore. Es gab hier alles, von der echten bis zur nachgemachten Levi's Jeans über Konserven und Videorecorder aus koreanischer Produktion. Und natürlich konnte man am Tresen auch Wodka trinken. Der Ladenbesitzer hieß Anatoli, und ich stellte mit Erstaunen fest, daß Tom etwas Russisch sprach.
"Mir scheint, ich lerne immer noch neue Seiten an dir kennen, Tom", flüsterte ich ihm zu, während Anatoli uns einen Wodka einschenkte, den auszutrinken wohl ein Gebot der Höflichkeit war...
Jedenfalls wollten weder Tom noch ich riskieren, daß der vielleicht einzige Mensch weit und breit, der bereit war, uns für ein paar Stunden in seinem Haus zu beherbergen, Grund hatte, sich beleidigt zu fühlen.
"Bevor ich nach Asien ging, war eine Zeitlang im Gespräch, daß ich einen Korrespondentenposten in Rußland einnehmen sollte... Es kam dann anders, aber ich hatte mich für den Job schon etwas vorbereitet."
Ich leerte mein Glas.
Der Wodka raubte mir für einen Moment schier die Sinne. Ich konnte kein Wort mehr herausbringen und nur noch energisch mit dem Kopf schütteln, als Anatoli sogleich nachschenken wollte.
Der Russe grinste breit. Die Bemerkung, die er daraufhin fallen ließ, konnte ich natürlich nicht verstehen. Und das war sicher auch besser so. Dann unterhielt er sich etwas mit Tom.
"Er sagt, daß er die Wildhüter kennt, zu denen wir gleich gebracht werden. Und er meint, daß wir bereits die Engländer Nummer zwei und drei seien, denen er innerhalb einer Woche hier begegnet sei..."
"Garrison!" entfuhr es mir.
Anatoli schüttelte den Kopf.
"Njet", sagte er entschieden. "Peters."
"Wenn ich an seiner Stelle wäre, würde ich auch unter falschem Namen reisen", meinte Tom.
Ich öffnete meinen Anorak und holte eines der Fahndungsfotos hervor, die von Garrison inzwischen kursierten. Auch die Redaktion der LONDON EXPRESS NEWS war damit von Scotland Yard beliefert worden. Ich hielt es Anatoli hin und fragte: "Ist das der Mann, den Sie gesehen haben? Peters?" Anatoli warf nur einen kurzen Blick auf das Bild. In seinen Augen blitzte es kurz. Eine Falte erschien auf seiner Stirn.
Im nächsten Moment zuckte er die Schultern und sagte: "Ja ne snaju!"
"Was heißt das?" wandte ich mich an Tom.
"Er weiß es nicht."
"Ich glaube, daß er lügt."
"Patti..."
Ein wahrer Wortschwall kam dann über Anatolis Lippen. Aber seine Jovialität wirkte jetzt ziemlich gekünstelt. Ich sah Tom an und begegnete dem ruhigen Blick seiner grüngrauen Augen.
"Er hat ihn erkannt und verschweigt es uns", stellte ich fest.
Tom nickte.
"Er wird seine Gründe dafür haben... Schließlich wird Garrison hier mächtige Freunde haben, die ihn decken. Sonst wäre er doch wohl schon längst gefaßt."
*
Zwei Stunden warteten wir. Dann holte uns ein Mann namens Sergej Sergejewitsch Krulin mit einem ausrangierten Militärlastwagen ab.
Er sprach ganz gut Englisch, wenn auch ziemlich akzentschwer. Sergej war ein Mann in den Dreißigern. Er trug eine Fellmütze und einen Oberlippenbart. Seine Augen waren hellblau, und zunächst wirkte er sehr zurückhaltend. Aber während der Fahrt wurde er etwas gesprächiger.
"Sie sind wegen der Tiger hier", sagte er irgendwann. Es war eine Feststellung, keine Frage. "Vierhundert Tiger gibt es hier noch im Amur-Gebiet - einem Gebiet von der vielfachen Größe Großbritanniens. Und wir
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