Die Gabe der Patricia Vanhelsing - 5 Patricia Vanhelsing-Romane (Sonderband) (German Edition)
fühlte mich glücklich in diesem Augenblick, trotz der düsteren Vision, die ich hinter mir hatte und die nichts Gutes für die Zukunft verhieß.
"Ist Medellin eine schöne Stadt?" fragte ich.
"Nur halb so schön wie Poole. Vor allen Dingen hat sie den Nachteil, daß man schnell erschossen wird, wenn man zu offensichtlich den Verbindungen einer großen britischen Privatbank zum Drogenkartell nachzuspüren versucht..."
"Tut mir leid, ich hätte nicht so fragen sollen...." Er zuckte die Achseln. "Du weißt ja, daß ich vorsichtig bin...."
"Ich habe mir Sorgen gemacht."
"Und ich konnte den Moment kaum erwarten, dich wieder in die Arme zu schließen, Patti..."
Unsere Lippen berührten sich. Ich spürte die
unbeschreibliche, geradezu elektrisierende Spannung, die zwischen uns herrschte und die nun wie ein gewaltiger Funke übersprang.
Ich fühlte seine starken Arme in meinem Rücken. Er preßte mich an sich, und ich war in diesem Augenblick glücklich.
Im Hintergrund rauschte das Meer. Die frische Brise wehte mir das Haar ins Gesicht, und die Sonne senkte sich langsam dem Horizont entgegen.
Für einige Augenblicke vergaß ich alles um mich herum. Erst der Schrei einer Lachmöwe holte mich ins Hier und Jetzt zurück.
Ich sah Tom an und seufzte.
Er erwiderte meinen Blick.
Hand in Hand gingen wir dann die Promenade entlang.
"Irgend etwas ist auf diesem Jahrmarkt, Tom", sagte ich in das Rauschen der Brandung hinein, die meine Worte halb verschluckte. "Irgend etwas oder jemand. Ich weiß es nicht. Aber es lebt, davon bin ich überzeugt. Auf eine unheimliche, kaum faßbare Weise. Es lauert dort zwischen den Karussells und wartet auf Opfer..."
"Patti..."
"Sag nicht, daß ich verrückt bin!"
"Nein, das meine ich nicht, aber..."
"Ich konnte es spüren, Tom! Es war da!" Der Blick, mit dem er mich bedachte, war sehr nachdenklich. Seine Augenbrauen zogen sich zu einer geschwungenen Linie zusammen.
"Glaubst du mir?"
"Natürlich..."
"Es war wirklich da, Tom. Und es wird wieder töten."
"Woher willst du das wissen?"
"Ich konnte den Haß spüren, der in ihm ist. Und die Mordlust... Es wird nicht aufhören, Tom!"
*
Das Wesen hatte kein Gefühl für Zeit und Raum. Es wußte nicht, wie lange es her war, daß sich die namenlose Dunkelheit über sein Bewußtsein gelegt hatte.
Diese wohltuende Dunkelheit eines Schlafes, von dem sich das Wesen wünschte, er würde nie enden.
Nie...
Nicht endender Frieden...
Aber da waren Kräfte in ihm, die das nicht zulassen würden. Dunkle, zerstörerische Kräfte, deren Macht immens groß war. Zu groß, als daß man ihnen hätte widerstehen können. ES BEGINNT WIEDER! schoß es dem Wesen durch das Bewußtsein. DER DRANG ZU TÖTEN, ZU ZERSTÖREN...
Es gab kein Ende des Schreckens...
*
Mitternacht war schon vorbei, als wir hinaus zum Jahrmarkt fuhren. Wir nahmen Toms Volvo, mit dem er von London aus nach Poole gefahren war. Ich blickte hinaus in die Dunkelheit, während wir die Straße entlang brausten. Schließlich erreichten wir den Parkplatz des Jahrmarkts, der um diese Zeit ziemlich leer war.
Wir stiegen aus.
Das Oval des Monds wirkte wie ein übergroßes Auge, das uns vom Nachthimmel herab kalt musterte.
"Hier irgendwo muß es sein", murmelte ich und drückte dabei Toms Hand. "Was immer es auch sein mag..." Tom atmete tief durch.
"Und du glaubst wirklich, daß diese Linda Poldini uns weiterhelfen kann?"
"Sie hat gesehen, was in jener Nacht geschehen ist, als der Obdachlose umgebracht wurde", erwiderte ich.
"Ist sie glaubwürdig?"
"Ich weiß es nicht, Tom. Aber auf meine Gabe kann ich mich verlassen. Und ich kann die mentalen Energien spüren, die an diesem Ort wirksam sind."
Wir schlenderten auf den Jahrmarkt zu. Einige
Imbißbudenbesitzer verrammelten gerade ihre fahrbaren Snack Bars, die fliegenden Händler, die vor allem Spielzeug und Andenken feilboten, packten ihre Tische ein. Die Karussells waren längst zur Bewegungslosigkeit erstart. Lediglich das Riesenrad drehte sich noch ein letztes Mal.
"Keine halbe Stunde und dies wird ein völlig verlassener Ort sein", meinte Tom.
"Ja", murmelte ich. Ein leichtes Zittern hatte sich in den Klang meiner Stimme hineingemogelt. Eine Tatsache, die mir nicht gefiel.
Diejenigen, die jetzt noch hier, an diesem Ort waren, hatten hier irgend etwas zu tun. Nur vereinzelt sah man noch bierselige Touristen in Richtung des Parkplatzes wanken. Ich blieb plötzlich stehen. Meine Hand ging wie automatisch an die Schläfe.
Dieser
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