Die Gabe der Patricia Vanhelsing - 5 Patricia Vanhelsing-Romane (Sonderband) (German Edition)
schleppend.
Das Mondlicht fiel auf das tierische Gesicht mit den überlangen Raubtierzähnen.
Mir stockte der Atem. Bei der Gestalt handelte es sich um den Gorilla, dessen Figur ich vor der Geisterbahn gesehen hatte.
Er trommelte sich auf den gewaltigen Brustkorb. Seine Augen funkelten.
Eine unheimliche Art von Leben schien diese eigentlich tote Figur auf einmal erfüllt zu haben.
Der Gorilla wankte auf mich zu.
Ein dumpfes Knurren entrang sich seiner Brust. Sein Blick war jetzt starr auf mich gerichtet. Und gleichzeitig spürte ich die Berührung einer geistigen Kraft.... Etwas war da und griff nach meinem Innersten. Ein eisiger Hauch erfüllte mich. Ich zitterte, fühlte mich verloren. Wie gelähmt stand ich da, unfähig auch nur einen einzigen Schritt zu unternehmen.
Der Gorilla kam näher.
Mit ungelenk wirkenden Bewegungen wankte er vorwärts. An dem Karussell zu meiner Linken flackerten plötzlich die Lichter auf. Als ob irgendeine Geisterhand einen Schalter umgelegt hatte...
Der Gorilla riß das Maul auf. Das Mondlicht ließ die weißen, langen Zähne aufblitzen. Zähne, die völlig untypisch für einen Menschenaffen waren. Ein grauenhafter Schrei gellte durch die Nacht. Ich wollte fliehen. Einfach nur weg, das war der einzige Gedanke, den ich in dieser Sekunde klar fassen konnte. Aber meine Beine gehorchten mir nicht.
Ich öffnete den Mund, wollte schreien.
Aber kein Laut kam über meine Lippen.
Wie eine Gefangene fühlte ich mich. Eine Gefangene im eigenen Körper, durch unsichtbare Fesseln gehalten. Nein!
Alles in mir lehnte sich gegen den Gedanken auf, einfach nur dazustehen und abzuwarten, bis diese furchtbare Gestalt mich packte und mit ihren mächtigen Zähnen zerriß. Was ist es nur für ein seltsames Wesen, dessen Anwesenheit ich fühle? ging es mir verzweifelt durch den Kopf. Warum dieser Haß? Diese Mordlust...
Gespenstisches, geisterhaftes Leben erfüllte jetzt nach und nach den gesamten Jahrmarkt. Lichter flackerten unruhig und erinnerten an Kerzen im Wind. Karussells setzten sich in Bewegung. Irgendwo klapperte etwas.
Angsterfüllte Piepsgeräusche erfüllten plötzlich die laue Luft dieser warmen Sommernacht. Etwas huschte über den Boden. Dutzende von dunklen Flecken.
Ratten.
Sie flohen aus ihren Verstecken unter den stabilen Bohlen, auf denen die Karussells errichtet worden waren und stoben in Panik davon.
Sie schienen zu spüren, daß hier etwas nicht stimmte. Daß etwas im Gang war, das zugleich ungewöhnlich und bedrohlich war.
Ich hatte das Gefühl zu erfrieren, als ich so da stand, zur Salzsäule erstarrt. Verzweifelt versuchte ich, die Kontrolle über meinen Körper wiederzuerlangen.
Flieh! schien eine Stimme in meinem Inneren zu rufen Flieh!
Die Ratten huschten über den Boden davon. Wo ist Linda?
fragte ich mich. Warum ist sie nicht hier? Ich versuchte den Kopf in Richtung des Riesenrades zu drehen. Es gelang mir nicht. Mein Blick war wie hypnotisiert. Ich starrte in die glühenden Augen des Gorillas, der sich unaufhaltsam näherte. Schwindel erfaßte mich. Und ich spürte einen geradezu unerträglichen Druck hinter meinen Schläfen. Ich begann zu ahnen, mit was für einer gewaltigen Kraft ich es zu tun hatte.
Was geschieht hier nur? fragte ich mich voller Verzweiflung. Alles schien aus den Fugen geraten zu sein. Geisterhaftes Leben erfüllte diesen Ort.
Etwas kroch auf mich zu.
Es kam über den Boden, wie eine Schlange. Geräuschlos und tödlich...
Um sehen zu können brauchte ich den Kopf nicht zu bewegen. Ich sah es aus den Augenwinkeln heraus, aber es war mir unmöglich, mich voll darauf zu konzentrieren. Mein Blick hing wie magnetisch angezogen an den Augen des Gorillas. Und doch...
Es ließ mir keine Ruhe, was da von unten auf mich zustrebte. Es rutschte über den Sand und dann sah ich es. Etwas längliches, schwarzes. Es war sehr lang und schien sich seitwärts zu bewegen.
Auf einmal wußte ich, was es war und das kalte Grauen erfaßte mich.
Es handelte sich um eines der dicken Stromkabel, die kreuz und quer über den gesamten Jahrmarkt verlegt waren. Das Kabel bildete ein Schlinge...
Es hob sich langsam empor, wie eine Kobra, die sich im Bann eines Schlangenbeschwörers befand. Die Schlinge strebte auf meinen Kopf zu, senkte sich um meinen Hals... Gleichzeitig wurde der mentale Druck schier unerträglich. In meinem Inneren herrschte völliges Chaos. Alles drehte sich vor mir. Ich hatte das Gefühl, ins Bodenlose zu fallen... Das kalte Gummi des
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