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Die Gabe der Patricia Vanhelsing - 5 Patricia Vanhelsing-Romane (Sonderband) (German Edition)

Die Gabe der Patricia Vanhelsing - 5 Patricia Vanhelsing-Romane (Sonderband) (German Edition)

Titel: Die Gabe der Patricia Vanhelsing - 5 Patricia Vanhelsing-Romane (Sonderband) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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Blick auf den Schreibtisch des Kollegen Clark Dalglish gefallen, an den sich noch niemand zu schaffen gemacht hatte. Dalglish war ein Liebhaber japanischer Bonsai-Bäume. Daher hatte er auch einen dieser verkrüppelten kleinen Gewächse auf dem Schreibtisch stehen. Ich wußte nicht, wie oft ich diesen Bonsai schon kurz mit dem Blick gestreift hatte. Hundertmal an einem normalen Arbeitstag in der Redaktion. Vielleicht auch noch öfter. Er war mir nie besonders aufgefallen.
    Aber als ich ihn diesmal ansah, war etwas anders. Der Baum schien sich vor meinen Augen zu verwandeln. Für Sekundenbruchteile glaubte ich, sehen zu können, wie sich die Konturen eines Gesichtes aus dem knorrigen Stamm des Bonsai herausbildeten. Zwei ganz und gar weiße Augen, die kleinen Feuern gleich leuchteten, schienen mich anzustarren. Der Mund verzog sich wie zu einem
    verzweifelten, aber stummen Schrei.
    Alles um mich herum schien zu verschwimmen. Nichts blieb, außer diesem Baum. Wie aus weiter Ferne hörte ich, wie jemand meinen Namen aussprach.
    "Patricia..."
    Mit Verzögerung registrierte ich, daß es Toms Stimme gewesen sein mußte.
    Ich sah diesen Baum vor mir. Er schien auf die Größe eines normalen Baumes angewachsen zu sein. Und die Umgebung war eine andere. Nicht mehr das Redaktionsbüro der LONDON EXPRESS NEWS, sondern...
    Ein Wald!
    Der Baum hatte noch immer seine eigentümlich
    verkrüppelte Form. Die Gesichtszüge traten jetzt deutlicher hervor. Es war ein menschlicher Kopf mit einem
    zylindrischen Hut auf den Schultern. Und diese Schultern wuchsen aus dem harten Holz des Baums heraus. Sie endeten in zwei Armen, die eigentlich Äste gewesen waren. Wie Tentakel ließen sie sich in alle Richtungen bewegen. Sie schienen nach mir zu greifen...
    Eisige Schauder erfaßten mich.
    Der Puls schlug mir bis zum Hals.
    Was geschieht?
    Unwillkürlich wich ich einen Schritt zurück und traf dort auf einen Widerstand.
    Hände umfaßten meine Schultern.
    Erst jetzt bemerkte ich, daß sich auch aus den knorrigen Strukturen der anderen Bäume des eigenartigen Waldes Gesichter herauszumaterialisieren begannen. Knollenartige Verdickungen wuchsen vor meinen Augen aus den
    aufgesprungenen Rinden und bildeten Nase und Kinn. Augen, so hell wie die Sonne funkelten mich dutzendfach an. Und ich hörte einen eigenartigen, klagenden Chor von Stimmen...
    Ich blickte zu meinen Füßen.
    Die Wurzeln begannen sich zu bewegen. Furchen bildeten sich - wie von Geisterhand gezogen und die weit verzweigten Wurzeln krochen wie lange, wurmartige Ranken aus der Erde heraus. Die erste Schlinge legte sich um mein rechtes Fußgelenk. Ich schrie aus Leibeskräften, wollte mich losreißen und stolperte.
    Arme hielten mich.
    Ich drehte mich herum, schlug in heller Panik um mich und...
    Tom!
    Ich sah in sein besorgtes Gesicht, dessen grüngraue Augen mich fragend musterten. Seine starken Arme hielten mich fest. Ich atmete tief durch und schmiegte mich an ihn.
    "Patti, was ist los?" fragte er.
    "Oh, Tom..."
    "Ist dir nicht gut?"
    "Ein bißchen schwindelig..."
    Vorsichtig ließ ich den Blick schweifen. Clark Dalglishs Bonsai stand unverändert an seinem Platz.
    Mein Herz schlug noch immer wie wild.
    Eine Vision! dachte ich. Eine Vision, die mit deiner Gabe in Zusammenhang steht...
    Ich konnte fühlen, daß es so war. Und inzwischen hatte ich mir angewöhnt, mich in dieser Hinsicht auf meine Intuition zu verlassen.
    Was hat diese furchtbare Traumszene nur zu bedeuten?
    ging es mir durch den Kopf, während sich in meiner Magengegend ein Gefühl des Unbehagens ausbreitete. Jetzt erst sah ich den Kaffeebecher auf dem Boden. Ich hatte ihn offenbar fallengelassen. Der Inhalt sog sich in den grauen Teppichboden.
    "Wirklich alles in Ordnung?" fragte Tom. Unsere Blicke begegneten sich.
    Und ich nickte.
    Aber ich konnte in seinen Augen lesen, daß er mir nicht glaubte.
    *
    Die Stunden vergingen ziemlich hektisch. Es war nicht so ganz einfach, sich in das Computerprogramm hineinzufinden und das dazugehörige Handbuch war auch nicht gerade im Stil eines mitreißenden Bestsellers geschrieben worden. Außerdem war ich nicht völlig bei der Sache.
    Immer wieder kehrten meine Gedanken zu der seltsamen Vision zurück, die ich gehabt hatte.
    Jedesmal, wenn ich daran dachte, erfaßte mich eine Ahnung des Grauens, das ich in jenem Augenblick empfunden hatte. Und die Frage nagte weiter an meiner Seele, was diese Vision für eine Bedeutung haben mochte. Würde ich tatsächlich selbst in eine so

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