Die Gabe der Patricia Vanhelsing - 5 Patricia Vanhelsing-Romane (Sonderband) (German Edition)
unterziehen können. Man konnte nur raten, um welche Anfangsbuchstaben es sich jeweils bei den schwarzen Klecksen handelte. Ich überflog den Text. Allerlei esoterisches Geschwafel, so schien es mir. Von
Wunderkräften und den Energien der Erde war da die Rede. Ich blätterte weiter.
Zur Auflockerung des schlecht fotokopierten Textes war ein Bild eingefügt. Ein Schwarzweißfoto, das sehr schlecht wiedergegeben wurde. Aber es war eindeutig, was es zeigte. Einen Wald!
Es war für mich wie ein Schlag vor den Kopf, als ich die eigentümlich verkrüppelte Form einiger Bäume
wiedererkannte.
Es waren dieselben, charakteristischen Linien, die ich in der Vision und in meinen Träumen gesehen hatte. Ich war mir sicher.
"Du bist ja ganz blaß geworden!" hörte ich Tante Lizzy sagen.
Ich zeigte ihr das Bild.
"Das ist der Wald, von dem ich geträumt habe", erklärte ich.
"Bist du dir sicher?"
"Ja."
"Die Esoteriker, die damals dorthin pilgerten glaubten, daß
es sich bei diesem Ort um ein Zentrum kosmischer Energie handelte..."
"Vielleicht hatten sie auf gewisse Weise sogar recht, Tante Lizzy!" murmelte ich tonlos.
Tante Lizzy ergriff meine Hand. "Paß auf dich auf, Patti!"
"Natürlich!"
"Ich werde versuchen, noch etwas mehr herauszufinden!"
"Ich danke dir!"
Sie nahm mich in den Arm. Und in diesem Augenblick war das genau das Richtige.
*
Tom holte mich wenig später ab. Er half mir, meine Sachen in den Kofferraum seines Volvos zu laden. Wir waren übereingekommen, mit seinem Wagen zu fahren, weil er einfach die modernere Ausstattung - und etwas mehr PS
unter der Haube - hatte.
Außerdem war ein roter Mercedes-Oldtimer in einer so ländlichen Umgebung wie Darrenby sicher recht auffällig. Und Aufsehen wollten wir eigentlich nicht erregen. Tom faßte mich bei den Schultern und küßte mich zärtlich.
"Ich freue mich über unsere Zusammenarbeit", erklärte er. Ich versuchte, einigermaßen heiter und gelöst zu wirken.
"Ich hoffe nur, daß deine Fotos nicht alles verderben!" flachste ich daher.
"Keine Sorge. Ich mache das ja nicht zum ersten Mal!"
"Dein Wort in Mr. Swanns Ohr, Tom!"
Wir fuhren los. Tante Lizzy winkte uns.
Von London aus ging es nordwärts. Tom saß die erste Etappe am Steuer, aber alle paar Stunden wechselten wir uns ab.
"Ich war eben noch kurz in der Redaktion und habe überprüft, ob in letzter Sekunde noch irgendeine Neuigkeit über den Fall eingetrudelt ist."
"Und?" fragte ich.
"Nur eine lahme, nichtssagende Verlautbarung der Polizei. Es lohnt sich nicht, sie zweimal zu lesen, Patti. Alles, was da drinsteht, wissen wir auch." Er zuckte die Achseln. "Für mich sieht das so aus, als wären die ziemlich ratlos." Ich berichtete ihm von den Erkenntnissen, die Tante Lizzy und ich durch unsere Recherchen gewonnen hatten. Und ich las ihm auch aus Kopien vor, die ich mir von einigen Passagen aus Meanys eigenartigem Exorzismus-Buch gemacht hatte. Tante Lizzys Okkultismus-Archiv verfügte nämlich über eine moderne Büroausstattung, auch wenn man das auf den ersten Blick nicht so mitbekam. Und dazu gehörte auch ein Kopiergerät. Tante Lizzy war in diesem Punkt immer mit der Zeit gegangen, denn sie wußte ganz genau, daß sie ohne technische Hilfsmittel längst im unübersichtlichen Wust ihrer 'Sammlung' erstickt wäre. Tom Hamilton war ziemlich schweigsam, als ich zu lesen aufgehört hatte.
Ich studierte etwas verwirrt die Züge seines Gesichtes, während er weiterhin nach vorn sah und sich auf den Verkehr konzentrierte.
Er scheint nicht überrascht zu sein!
Das war der erste Gedanke, der mir kam. Ich hatte das Gefühl, als ob er das, was ich ihm sagte längst gewußt hatte. Du bist eine Närrin! schalt ich mich selbst. Das ist völlig ausgeschlossen!
Vielleicht litt ich langsam an Verfolgungswahn oder die Schlaflosigkeit der letzten Nacht setzte meinen Nerven einfach zu sehr zu.
"Klingt interessant", sagte er schließlich. Es hörte sich fast pflichtschuldig an.
Mußt du immer allem und jedem mißtrauen, Patti? sagte eine Stimme in mir. Ich lehnte mich zurück und schloß für einige Minuten die Augen.
*
Es war später Nachmittag, als wir die Stadt York erreichten. Es hatte inzwischen zu regnen begonnen. Ein heftiger Westwind bog Sträucher und Bäume in seine Richtung. Zwischendurch hatten wir in einem kleinen Landgasthof eine Rast eingelegt und etwas gegessen. Je weiter wir nach Norden kamen, desto schlechter schien das Wetter zu werden. Der Wind war schneidend kalt. Als wir York
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