Die Gabe der Patricia Vanhelsing - 5 Patricia Vanhelsing-Romane (Sonderband) (German Edition)
emporgekrochen.
Eine Wurzel...
Der Hauptstrang war so dick wie ein Arm, die
Verzweigungen hatten immer noch den Durchmesser eines Zeigefingers. Jede dieser Verästelungen schien auf grauenhafte Weise belebt zu sein.
Die Männer starrten zu dem deformierten Baumstamm hin, der sich vor ihren Augen zu verändern begann. Aus knollenartigen Verdickungen bildeten sich eine Nase, ein Kinn, Gesichtszüge...
Ein schmerzvoll stöhnender Laut entrang sich dem lippenlosen Mund. Zwei leuchtende Augen materialisierten sich aus dem Nichts heraus und richteten ihren geisterhaften Blick auf die Männer.
Manche von ihnen wichen unwillkürlich zurück.
Ein Schrei gellte über die nebeligen Wiesen. Eine der schlingenartigen Wurzelverzweigungen hatte sich um ein Fußgelenk gelegt.
Der Mann viel der Länge nach hin und versuchte
verzweifelt, sich loszureißen.
Doch weitere Wurzelarme krochen herbei, packten ihn blitzartig am Handgelenk, ehe sich einer dieser unheimlichen Arne auch um den Hals legte.
"Mike!" rief einer der anderen. Zu dritt stürzten sie hinzu und versuchten, den Mann zu retten.
Ein Röcheln war das letzte, was Mikes Kehle entrang. Der knorrige Baum hatte sich indessen komplett
verwandelt. Ein Kopf war aus ihm herausgewachsen. Die dicken Äste, in die er sich verzweigte, bogen sich wie die knochenlosen Tentakelarme eines Tintenfischs.
"Die Pfähle!" rief George verzweifelt. Endlich brachte sie jemand.
George entriß einem der Männer einen schweren Hammer und begann damit, ein mit bizarren Schnitzereien versehenes Rundholz in den Boden zu schlagen.
Drei Schläge...
Mehr durften es nicht sein...
Inzwischen hatten die anderen ihre Versuche aufgegeben, Mike aus den Wurzelarmen dieses unheimlichen Wesens zu befreien. Sie hatten Mühe, zu verhindern, daß sie selbst sich in den tückischen Schlingen verfingen, die in immer größerer Zahl aus der Erde herauswucherten.
In verzweifelter Hast wurden weitere Pfähle in die Erde gerammt.
Mit einem zischenden Geräusch begann sich dann erneut ein Spalt im Boden zu bilden. Es war ein ohrenbetäubendes Geräusch.
Die Männer sprangen zur Seite, ehe die aus dem Spalt herauswachsenden Wurzelarme sie ergreifen konnten. George griff in seine Jackentasche.
Er holte einen glatten Stein hervor und hielt ihn mit seiner Hand umfaßt. Ein eigenartiges Prickeln durchflutete seinen Arm und erfaßte seinen gesamten Körper. Eine unheimliche Kraft. George wartete einige Augenaufschläge lang, bis das Prickeln beinahe schmerzhaft wurde.
Er hob die Hand.
Sie schien fast transparent zu sein.
Der Stein leuchtete durch sie hindurch. Rotglühend war er nun, als ob ein geheimnisvolles Feuer in ihm brannte. Das Gesicht in dem knorrigen Baum verzog sich. Die zu Armen mutierten Äste wedelten unkontrolliert hin und her. Ein Laut entrang sich dem offenen, lippenlosen Mund. Ein unartikulierter Ausruf des Schreckens...
Aus weiter Ferne schien ihm ein unheimlicher Chor zu antworten. Dunkle, dumpf klingende Stimmen, die sich mit den Stöhnen des Windes vermischten.
George stand jetzt allein da. Die anderen waren mehr und mehr zurückgewichen.
Angst zeichnete ihre Gesichter und verzerrte sie zu Masken puren Entsetzens.
Mit offenen Mündern sahen sie zu, was geschah.
Jeder von ihnen wußte, daß sich das Schicksal aller in diesem Augenblick erfüllen konnte.
George warf jetzt den Stein in die Höhe.
Dasselbe Leuchten, das den Stein erfüllte, war jetzt auch in seinen Augen zu sehen.
Mit unnatürlicher Langsamkeit, die den Gesetzen der Schwerkraft völlig zu widersprechen schien, segelte das rotglühende Etwas durch die Luft. Eine geheime Kraft schien seine Bahn genau vorherzubestimmen. Sanft wie eine Feder landete der Stein vor den Pfählen, die George und seine Getreuen in den Boden gerammt hatten. Strahlen schossen aus dem Stein heraus und durchzogen wie rote Striche die Luft. Sie trafen die Gesichter, die in die Pfähle geschnitzt worden waren.
Diese geisterhaften Totemmasken erwachten zu
unheimlichen Leben.
Die weit aufgerissenen Mäuler bewegten sich, formten Laute und Silben.
Im gleichen Augenblick erstarrten die Wurzelarme des knorrigen Baums. Das Gesicht bildete sich zurück, der Kopf verschwand, und der Baum erstarrte.
Etwas Dunkles fuhr aus dem Baum heraus.
Es sah aus wie der Schattenriß eines Menschen, der einen großen zylindrischen Hut trug. Aber die Form verschwamm bereits im nächsten Moment.
Ein Laut der Wut, der halb menschlich, halb tierisch zu sein schien,
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