Die Gabe der Zeichnerin: Historischer Roman (German Edition)
eingewilligt, an ihr Jawort allerdings eine Bedingung geknüpft, die dem König die Heirat eigentlich hätte verleiden müssen: Sie versprach, ihm eine vorbildliche Gemahlin zu sein und ihm unverbrüchliche Liebe entgegenzubringen. Die des körperlichen Ausdrucks sei darin aber nicht eingeschlossen. Sie sei bereit, ihn zu heiraten, nicht aber, das Bett mit ihm zu teilen und ihm Kinder zu schenken. Den Schmerz, ihn auch in den Armen anderer Frauen zu wissen, könne sie ansonsten nicht mehr ertragen.
Karl versprach wortreich, sich zu ändern. Er würde von nun an für alle Zeiten ausschließlich ihren Leib begehren, Nacht für Nacht und manchmal auch am Tage. Kein anderes Weib würde er jemals mehr begehrlich mustern oder gar unziemlich berühren. Was konnte eine Frau mehr verlangen? Liutgard hatte ihm den Mund mit einem Kuss verschlossen.
»Ich will dich nicht ändern, Karl«, sagte sie. »Ich will dich glücklich machen. Und das wärst du nicht, wenn es die anderen Frauen in deinem Leben nicht gäbe. Sie mögen dir erhalten und ich werde dir treu bleiben.«
So geschah es. Eine vorzügliche Regelung, die den Bedürfnissen zweier Menschen entgegenkam, die sich, wie der König Liutgard gern zuraunte, auf überirdische Weise liebten. Brachte eine Friedelfrau des Königs ein Kind zur Welt, versäumte es Liutgard nie, der Mutter im Namen des Königs Geschenke zu schicken. Karl, den weder Fasten, noch Gebete oder Vorsätze von der Leidenschaft für einen stets anderen weiblichen Leib abbringen konnten, fühlte sich mit dieser Gemahlin überaus gesegnet. Die Körperlichkeit seiner Gespielinnen erschien ihm schal wie abgestandener Falerner Wein, wenn er an die große Seele der Frau dachte, die ihn um seiner selbst willen liebte.
Neben ihr blickte er jetzt in den Talkessel seiner Residenz hinab, auf eine riesige Ansammlung von Hütten, Pfahlbauten, Fachwerkhäusern, Zelten, Schobern, Ruinen und Ställen, in die des Königs eindrucksvolle Pfalzanlage schräg hineingesetzt worden war. Mit einem Turm, der alles andere überragte.
»Was für ein hässliches Holzdach«, sagte der König.
Für Gebete fehlte Ezra die Zeit. Der gesamte Tag stand im Zeichen der Rückkehr des Königs. Karl hatte Einhard ausrichten lassen, alles für eine Dankesmesse vorzubereiten, die am kommenden Tag in der capella abgehalten werden sollte. Den Hinweis Liutgards, das Gotteshaus sei noch nicht geweiht, wehrte er mit der Bemerkung ab, man habe die Messe wie einen Gottesdienst unter freiem Himmel zu betrachten, da diese Kirche eines Daches entbehre. Niemand dürfe es wagen, die absurde Holzkonstruktion in seiner Gegenwart als solches zu bezeichnen.
»Allahu akbar«, flüsterte Ezra, als sie sich am Spätnachmittag daranmachte, die letzten bunten Steinchen in das Mosaik der Rundung im Obergeschoss zu drücken. Sie war froh, ein wenig abseits des hektischen Aufräumens, des Fortschaffens von Werkzeugen, Gerätschaften und des wilden Putzens und Polierens in einem Eckchen für sich zu sein. Denn sie musste dringend mit ihrem Gott reden. Ihn um Gnade anflehen.
Heute Nacht, wenn die anderen schlafen, werde ich dir, Allah, dem alles Lob gebührt, die vorgeschriebene Ehre erweisen. Ich bitte dich, erbarme dich meiner, auch wenn ich gefehlt habe. Allah, Fürst der Gläubigen, ich ersuche Deinen Schutz: Schicke mir meine monatliche Regel!
Diese war schon seit zwei Wochen überfällig. Mit Lucas hatte sie darüber nicht gesprochen, da sie ihn nicht beunruhigen wollte. Wie einige Monate zuvor, als es ihm eines Nachts nicht geglückt war, rechtzeitig von ihr abzulassen. Die Angst, seine Saat könne in ihr aufgehen, hatte ihn noch in derselben Nacht in das Viertel der Ärmsten der Armen getrieben. Dort hatte er einer Hure das Geheimnis entlockt, wie die Blutung ausgelöst werden könne. Damals hatte ihr der Weinsud aus Stinkwacholder, Eisenkraut, Selleriewurzel, Liebstöckel, Fenchel und Petersilie geholfen. Doch diesmal schien das Mittel versagt zu haben, wiewohl sie sich während der Einnahme dieses ekelerregenden Trankes auf einen Topf mit frisch überbrühten Zwiebeln gesetzt und anschließend Rainfarn, Fieberkraut und Beifuß mit Butter vermischt auf ihren Nabel gelegt hatte. Von alledem war ihr nur schlecht geworden. Die Blutung hatte nicht eingesetzt.
Sie blickte ins westliche Galeriejoch hinüber zu der Stelle, wo die Marmorplatten lagen, aus denen der künftige Königsthron zusammengesetzt werden sollte. Dies seien Spolien von der Grabeskirche in
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