Die Gabe der Zeichnerin: Historischer Roman (German Edition)
gutgetan haben.
»In Hosen stelle ich keine Fragen, und sie kann nicht lesen«, sagte Ezra schließlich.
»Ich werde Maria rufen lassen.«
Maria, die einst Heda geheißen hatte, stillte gerade ihre jüngste Tochter, als ein junger Bote an die Tür klopfte und sie höflich aufforderte, ihn sofort zu einer hochgestellten Frau des Hofes zu begleiten, die ihrer Dienste bedurfte. Sehr verwundert, aber geehrt ob der Anweisung, legte Maria das Kind ab, ihr bestes Tuch um und überließ die Kinderschar der Obhut ihrer Magd. Auf dem Weg zum Pfalzgelände fragte sie sich, welche hochgestellte Frau wohl gerade ein Kind geboren und wer sie, Maria, als Amme vorgeschlagen haben mochte. Denn wofür sonst sollte man am Hof ihrer Dienste bedürfen? Maria bedachte, wie dankbar sie der glücklichen Wendung ihres Schicksals, also Ezra, dem Zauberer, doch zu sein hatte. Ohne sein Zutun wäre sie jetzt tot. Fünf Sommer zuvor hätte sie nicht einmal davon zu träumen gewagt, für die ehrenvolle Aufgabe einer Amme am Hof eines Kaisers auserwählt zu werden. Dass dies ein guter Tag werden würde, hatte sie schon am Morgen geahnt, als sich der Herrgottskäfer in ihr Haus verirrt hatte.
Am Frauenhaus öffnete ihr der Bote die Tür und wies sie an, nach Frau Gerswind zu fragen. Maria trat ein, sah sich suchend in der großen Halle um und starrte dann entzückt auf die schöne junge Frau, die ihr mit einem Säugling auf den Armen entgegenkam.
»Ich werde das Kind so reichlich versorgen, als wäre es mein eigenes«, versicherte sie.
»Was redest du da, Magd?«, fuhr Regina sie unwirsch an und drückte Drogo fester an sich. »Und was hast du hier zu schaffen?«
»Frau Gerswind?«, fragte Maria unsicher und trat näher an die Mutter heran. Dies war keine gnädige Herrin, aber dem Kind sollte es an nichts mangeln. Regina schüttelte unwillig den Kopf. Bei nächster Gelegenheit würde sie sich beim Kaiser über die vielen Besucher beklagen, mit denen die Sächsin die Bewohnerinnen des Frauenhauses belästigte. Die Dreistigkeit, mit der dieses ungehobelte Weib den kleinen Drogo musterte, war eine Zumutung, die sich die Mutter eines Kaisersohnes nicht gefallen lassen musste.
»Da drüben«, knurrte sie, gleichzeitig auf eine Tür deutend und den Kopf ihres Sohnes vor dem bösen Blick der Frau aus dem Volke schützend.
Auf Marias Klopfen hin schwang die Tür weit auf. Die Frau des Schmiedes starrte die weißblonde Frau vor sich an und schlug eine Hand vor den Mund.
»Dachte ich doch, dass ich dich kenne«, rief Gerswind fröhlich und ergriff ihre beiden Hände. »Sei gegrüßt, Maria, Freundin aus ferner Zeit, und tritt ein!«
»Linde«, stotterte Maria verwirrt, »wie kommst du hierher?«
»Du kannst mich jetzt Gerswind nennen. Denn das ist mein wahrer Name. Die Linde, die mit dir im Genitium der Abtei Prüm gearbeitet hat, gibt es schon lange nicht mehr. Umso schöner aber, Maria, dass ich dich hier wiedersehe. Ich hatte keine Ahnung. Lass mich dir eine weitere Freundin vorstellen.«
Jetzt erst nahm Maria die andere Frau im Raum wahr, die zwar ein schlichtes Gewand ähnlich dem ihren trug, aber wie eine fremdländische dunkle Königin erhaben auf einem Schemel thronte. Noch nie hatte sie eine so außerordentliche Erscheinung gesehen, noch nie ein so schönes Gesicht. Sie sank vor ihr auf die Knie.
»Auch Theresa gehört zu uns«, sagte Gerswind belustigt. »Du wirst staunen, wie gut du sie bereits kennst.«
Maria hob den Blick, musterte das fein geschnittene Gesicht mit dem schwarzen Mal auf der Stirn und schüttelte den Kopf.
»Nein«, sagte sie. »Ich bin dieser edlen Herrin in meinem Leben noch niemals begegnet.«
»Ich bin keine Herrin, Maria«, sagte Ezra, »und ich freue mich, dass du hier bist. Ich brauche deine Hilfe.«
Sie löste das streng zurückgesteckte Haar, verwirrte es in der üblichen Art, ließ es ins Gesicht fallen und senkte das Haupt. Maria wich zurück und klammerte sich an Gerswind.
»Ezra, der Zauberer!«, keuchte sie. »Er hat sich in eine Frau verwandelt! Er spricht sogar wie eine!«
»Ich bin eine Frau, Maria. Das war ich schon immer, und darum habe ich nicht gesprochen. Aber jetzt bin ich schwanger und bedarf einer Zuflucht.«
Gerswind legte einen Arm um Marias zitternde Schultern.
»Theresa kann ebenso wenig zaubern wie du«, sagte sie, »und wie du wird sie Mutter werden. Ein Kind ist doch jedes Mal wieder ein großes Wunder, ist es nicht so, Maria? Aber es wäre ein zu großes, ein unglückliches
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