Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Gabe der Zeichnerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Gabe der Zeichnerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Gabe der Zeichnerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
Vom Netzwerk:
Denn nichts anderes als eine ungeheure Eisenrüstung könnte eine derartige Kuppel zusammenhalten.«
    Ezra nickte vergnügt. Der alte Mann verstand sie. Sie hingegen verstand von fränkischen Schmieden nichts, war aber zuversichtlich, dass diese ihr Handwerk beherrschten und gegen eine Herausforderung nichts einzuwenden hätten, wenn der König sie dazu aufrief. Im Kalifenreich waren einfachste Arbeiter dank ihres Einfallsreichtums und ihrer spielerischen Erfindungen zu großem Ansehen und unerhörtem Wohlstand gelangt. Das würde im Frankenland gewiss nicht anders sein.
    Sie blickte zu Odos Sohn. Der hatte seine eigene Wachstafel hervorgezogen und zu kritzeln begonnen.
    »Ich möchte in dieser Kirche noch zu meinen Lebzeiten beten«, bemerkte Karl und drückte einen Zeigefinger hart in das Wachs der Tafel mit dem Grundriss. »Aber wie werden wir das bewerkstelligen, Odo von Metz, du mein erster Baumeister, wenn du mir nicht einmal eine solche Kuppel bauen kannst?«
    In der Königshalle war es sehr leise geworden. Nur deshalb hörte jedermann das Flüstern des Iosefos: » Ich kann diese Kuppel bauen.«
    Das war er Amina schuldig. Zu diesem Schluss war er gekommen, nachdem ihm in den vergangenen Augenblicken eine Vielzahl grausiger Gedanken durch den Kopf geschossen war. Nein, Amina strebte nicht über den Tod hinaus nach Rache. Ihr Allah war ein barmherziger Gott, der es liebte, den Menschen zu vergeben. Schon deshalb würde sie auch ihm vergeben wollen. Und hatte ihm jetzt über ihr gemeinsames Kind eine zweite Chance geschenkt, seine Schuld ihr gegenüber zu begleichen. Nur eine solche Auslegung dieser seltsamen Fügung konnte in ihm das Grauen bannen, das ihn angesichts der Skizzen auf den Wachstafeln erfasst hatte.
    Ezra wandte sich um, schob das Haar aus dem Gesicht und suchte mit den Augen die Menschenmenge hinter ihrem Vater ab, bis ihr Blick an Isaak hängen blieb. Der sah zum ersten Mal seit Konstantinopel wieder das Moschuskorn auf der Lilienblüte und wäre nur zu gern auf die Knie gefallen. Dank dieses Knabenmädchens wird sich alles zum Wohlgefallen des Kalifen und des Königs fügen, dachte er; es wird sich künftig trefflich handeln lassen, wenn zwischen Christen und Muselmanen kein Streit stört und kein jüdischer Sündenbock erforderlich ist. Auch um Einfuhrgenehmigungen muss ich mir keine Sorgen mehr machen. Sollte tatsächlich ein höheres Wesen die Geschicke lenken, möge es dieses verwirrende Geschöpf segnen.
    Ezra nickte ihm kaum merklich zu. Mein Vater hat begriffen, weshalb wir hier sind, dachte sie. Endlich. Denn nur er kennt sich mit allem aus, mit Schubkräften, Spannweiten, Schmieden und Steinen. Nur er kann meinen Wüstenturm an die Stelle setzen, wo jetzt die kleine Holzkapelle steht. Mein Vater wird es schaffen, den Traum, den Allah mir gesandt hat, Wirklichkeit werden zu lassen.
    Erstmals wandte sich Karl jetzt Iosefos zu.
    »Weshalb trägt dein Sohn ein Sarazenerkleid?«, fragte er.
    Iosefos hielt dem Blick des Königs stand.
    »Es gefällt ihm«, antwortete er.
    Karl lachte.
    »Diese Antwort genügt mir nicht, Iosefos aus Konstantinopel«, sagte er, »aber da ich eine längere Geschichte dahinter vermute und vor alledem wissen möchte, wie du die Skizzen deines Sohnes in Stein verwandeln willst, lade ich euch beide heute Abend an meine Tafel ein.«
    Er wandte sich an seinen jungen Schreiber Einhard.
    »Beseleel«, sagte er, »diese Gäste aus Konstantinopel sind mir willkommen. Doch Meister Architekt und Filius Architectulus sehen nach ihrer langen Reise sehr mitgenommen aus. Trage Sorge, dass sie beim Abendmahl besser riechen.«
    Er wandte sich zum Gehen, blieb aber an der Tür noch einmal stehen.
    »Bring sie im Hause von Meister Odo unter«, wies er Einhard an, »auf dass sie gleich ihm des Nachts schnell zu mir eilen können, wenn ich ihrer bedarf. Denn ich werde diese Kapelle bauen. Richte dich darauf ein, Odo von Metz, ich habe mich entschieden.«
    Einhard war zu Respekt gegenüber Älteren erzogen worden, aber in den Räumen des Odo von Metz stellte Iosefos seine Geduld auf eine harte Probe. Der Baumeister hielt es nicht einmal für nötig, seine Weigerung zu begründen, wiederholte nur stur: »Mein Sohn wird das Bett nicht mit dem Sohn Meister Odos teilen.«
    Einhard wandte sich an Dunja, die er für die Ehefrau des Iosefos hielt, da sie ihnen wie selbstverständlich hinterhergegangen war.
    »Sag deinem Gemahl, es ist unumgänglich; euer Sohn müsse sonst wie ein Knecht auf

Weitere Kostenlose Bücher