Die Gabe der Zeichnerin: Historischer Roman (German Edition)
Mann Odo zufolge einst seinen Meister vom Gerüst gestürzt hatte, und trat einen weiteren Schritt zurück.
»Aber deswegen darf man sie doch nicht verhungern lassen!«, trompetete Iosefos.
»Ich werde mich darum kümmern«, versprach Einhard.
»Und ich kümmere mich hierum.« Iosefos hielt den Knochen des Anstoßes wieder hoch. »Was ist nun mit meinem Geld?«
»Es wird dir erstattet werden, Meister Iosefos«, versicherte Einhard.
»Die Schatzkammer ist leer«, bemerkte der Baumeister.
»Nicht mehr lange«, entfuhr es Einhard.
»Ach?«
»Hör zu, Baumeister«, sagte Einhard eindringlich. »Ich verrate dir quasi als Vorschuss auf deine Bezahlung ein Geheimnis … « Er zögerte, »… wenn du es denn zu bewahren vermagst?«
Iosefos hob nur eine Augenbraue.
»Des Königs Sohn, König Pippin von Italien … «
Einhard brach ab. Dem Mann, der ihm soeben noch Furcht eingeflößt hatte, konnte er unmöglich derart Vertrauliches mitteilen. Zumal dieser nicht zu versprechen geneigt schien, das Geheimnis für sich zu behalten.
»… hat den Ring der Awaren gesprengt, die Mauern der Heiden bezwungen und ihren sagenhaften Schatz erobert«, vollendete Iosefos den Satz, ohne an dessen Ende fragend die Stimme zu heben. Er musterte Einhard forschend und unterdrückte ein Lächeln, als er in des Schreibers Gesicht las, dass er richtig geraten hatte. Schneidender setzte er fort: »Wann trifft er denn in Aachen ein, der junge König mit dem Schatz, der das Ende unserer finanziellen Sorgen bedeutet?«
»Morgen«, antwortete Einhard tonlos und wandte sich ab. Es wurde Zeit, dass auch König Karl zurückkehrte und diese ruchlosen Baumeister in die Schranken wies. Zum ersten Mal fühlte sich der junge Einhard von der Aufgabe überfordert, jede Bauphase der Kirche penibel zu überwachen. Offenbar wurde Entscheidendes an ihm vorbei beschlossen. Außerdem wurde am Hof viel zu viel geredet. Das alles musste sich ändern.
Iosefos weigerte sich, über Last und Unlust der Ameise nachzudenken. Er schleuderte den Unterschenkelknochen ins nächste Joch.
»Und wo ist mein eigener Schatz?«, knurrte er vor sich hin, nicht ahnend, dass Isaak diesem dank eines kleinen Papiers schon Monate zuvor auf die Spur gekommen war. Und dass Ezra ihm dabei geholfen hatte.
im hochsommer, monate zuvor
Isaak sprach die schwangere junge Frau, selbst noch fast ein Kind, vor dem Küchenhaus an. Sie weigerte sich, ihren Namen zu verraten. Sie wolle keine Schande über ihre Familie bringen, murmelte sie. Man solle sie so nennen, wie die Männer sie jetzt riefen: Heda.
Ängstlich starrte sie auf das Schriftstück, das ihr Isaak unter die Nase hielt.
»Ist es ein böser Zauber?«, fragte sie. Zwischen das mögliche Übel und das Ungeborene legte sie schützend beide Hände auf den hohen Leib.
»Ein Zauber, ja«, antwortete Isaak, »aber böse nur für den, der ihn entwendet hat.«
»Ich habe ihn nicht gestohlen!«, erwiderte Heda heftig. »Ein Mann hat ihn mir gegeben. Was soll ich damit, habe ich ihn gefragt, das kann man doch nicht essen. Bitte, Herr … « Sie fasste Isaak am Ärmel, »er darf mir nicht noch mehr Leid bringen!«
»Sprich, Mädchen«, sagte Isaak leise, »wer war der Mann, und wo ist er jetzt?«
»Da, wo er Beute machen kann«, erwiderte Heda. »Das ganze Unglück fing mit den Altartüchern an.«
Diese, wie auch andere Stoffe, hatte sie früher für die Goldene Kirche der Abtei zu Prüm gewaschen und damit der armen Bauernfamilie, der sie entstammte, ein Zubrot verschafft. Bis ihr zwei Winter zuvor an der Pforte der Abtei der Mann Fredo begegnet war. Höflich hatte er sie angesprochen, ihr den Stapel Wäsche abgenommen und ihr mit vielen schönen Sprüchen den Kopf so verdreht, dass sie nur noch den Wunsch verspürte, ihr altes Leben hinter sich zu lassen und mit diesem Mann in das gelobte Land aufzubrechen, das er Aachen nannte. Wo er die Mauern des Königspalasts hochziehen und damit reich werden würde. Wie auch die Frau, die das Glück hätte, ihn begleiten zu dürfen. Heda gab die Altartücher im Kloster ab. Ohne sich von ihrer Familie zu verabschieden, zog sie mit Fredo nach Aachen .
»Wo er, statt selbst zu arbeiten, dich an die Maurer verkauft hat«, sagte Isaak, der ähnlich traurige Geschichten auf seinen Reisen schon sehr oft gehört hatte.
»Bis er die anderen Männer kennenlernte«, flüsterte Heda, »da hat er dann über mein Geld gelacht. Weil er mit ihnen zusammen viel mehr verdiente. Aber ich habe nie etwas
Weitere Kostenlose Bücher