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Die Gabe der Zeichnerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Gabe der Zeichnerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Gabe der Zeichnerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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davon gesehen. Nur das.«
    Sie nickte zu dem Papier hin.
    »Wo ist er jetzt?«
    »Da, wo der König ist. Weil er jetzt ein Pferd hat, soll er Sachsen töten. Das ist ihm egal, hat er gesagt, da ist gut Beute holen, auch wenn es weiter weg ist als sonst. Ich verstehe das alles nicht.«
    Isaak setzte sich das, was Heda nicht verstand, selbst zusammen. Das edle Pferd, das einst einem Sohn des Markarios gehört hatte, war in Aachen aufgefallen. Deshalb hatte man diesen Fredo offenbar gezwungen, sich der Truppe des Königs anzuschließen, die einen Sachsenaufstand an der unteren Elbe niederschlagen sollte. Isaak wusste, wie solche Strafexpeditionen aussahen: Ansiedlungen wurden ausgeplündert und niedergebrannt; Überlebende verloren ihren gesamten Besitz, wurden gefangen genommen oder in weit entfernt liegende Gegenden verschleppt und genötigt, sich in der Fremde anzusiedeln. Wer auf Befehl des Königs mordete und brandschatzte, konnte als Lohn die Habe der Überfallenen einstreichen, natürlich nur, solange es nicht um wirklich wertvolle Schätze ging, wie zum Beispiel jene, die hinter den Ringmauern der Awaren lagerten. Die standen dem König selbst zu.
    Wenn Fredo noch lebt, wird er sich seiner Beute nicht mehr lange erfreuen, überlegte Isaak grimmig. So schnell wie möglich gedachte der Fernhändler, der Spur des Königs nach Osten zu folgen.
    Eine weite Reise. Auf die er unmöglich eine hochschwangere Frau mitnehmen konnte. Aber wie sollte er unter den Hunderten, vielleicht sogar Tausenden fränkischer Kämpfer den Mann erkennen, der ihre Begleiter ermordet und Iosefos den Schatz geraubt hatte? Er sah nur eine Möglichkeit.
    Noch am selben Tag passte er Ezra auf der Baustelle ab, wo gerade die Gräben für die Fundamente ausgehoben worden waren. Er deutete auf das Wachstäfelchen, das an ihrem Gürtel baumelte.
    »Bitte«, sagte er, »ich muss dringend mit dir sprechen.«
    Sie sah ihn erwartungsvoll an, doch seine Frage erschreckte sie zutiefst: »Kannst du auch Menschen zeichnen?«
    Ja, das konnte sie, sogar sehr gut. Doch der heilige Mann, der sie in Bagdad seit frühster Kindheit unterrichtet hatte, war sehr zornig geworden, als sie eine Zeichnung von ihm angefertigt und ihm stolz überreicht hatte. »Allah lehnt Bildnisse des Menschen ab«, hatte der Mann gesagt, der die geheimen Botschaften des Korans besser kannte als alle anderen. Verwirrt hatte das Kind Ezra, das damals noch sprach, auf die Abbildungen des Kalifen im Bagdader Palast verwiesen, von denen der Vater erzählt hatte.
    »Unser Herrscher ist beklagenswertem Einfluss ausgesetzt. Wenn Allah ihm dies endlich eingibt, wird er alle Bildnisse entfernen sowie diejenigen, die ihm diesen Frevel eingeflüstert haben. Mohammed sagt, Maler von Lebewesen gelten vor Gott am Tage der Auferstehung als die schlechtesten aller Geschöpfe. Der Herr wird von ihnen verlangen, dass sie ihren Bildern Lebensodem einhauchen. Werden sie dazu in der Lage sein, Ezra? Denk darüber nach, mein Kind, und zeichne nie wieder eine lebendige Kreatur. Der Schöpfungsakt ist Allah dem Allmächtigen, gepriesen sei sein Name, ganz allein vorbehalten.«
    Der Einfluss des alten Mannes auf das kleine Kind war zu groß, als dass sich Ezra nicht an sein Gebot gehalten hätte, auch wenn sie trotz gründlicher Lektüre nirgendwo im Koran einen Hinweis auf ein Verbot von irgendwelchen Zeichnungen fand. Aber Imame waren schließlich dazu da, die geheimen Botschaften zwischen den Zeilen des Niedergeschriebenen zu entziffern und den Gläubigen weiterzugeben.
    Gerade in letzter Zeit juckte es Ezra besonders in den Fingern, ein menschliches Antlitz auf Pergament zu bannen. Schon mehrfach hatte sie beim müßigen Herumkritzeln die entstehenden Gesichtszüge von Lucas in sehr seltsame Ornamente verwandeln müssen.
    »Schade«, sagte Isaak, der in Bagdad von dem beginnenden Bilderstreit gehört hatte – der dem in der Christenwelt nicht unähnlich war – und ahnte, was in Ezra vorging. »Jedem Gott sollte es gefällig sein, wenn Mörder ihrer Strafe zugeführt werden.«
    Er blickte eine Weile schweigend vor sich hin, zog dann umständlich das Papier hervor und tat, als vertiefte er sich in den Text. Ezra stieß einen heiseren Laut aus und wollte nach dem Schriftstück greifen.
    Isaak versteckte es hinter seinem Rücken.
    »Ich habe nur eine einzige Seite«, sagte er. »Wenn du das ganze Buch wieder in deinen Besitz bringen willst, musst du das Bild dessen zeichnen, der es gestohlen hat. Wie er

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