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Die Gabe der Zeichnerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Gabe der Zeichnerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Gabe der Zeichnerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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der Isaak vor der Halle des Paderborner Palatiums abfing, »der Herr König ist derzeit unabkömmlich.«
    Isaak trat zur Seite, um den beiden Edelknaben Platz zu machen, die auf ihren Händen eine riesige Platte voller Hühnerteile und Wildbret balancierten. Als ihnen die Tür des Saals geöffnet wurde, warf er einen raschen Blick hinein. Das stämmige braunhaarige Mädchen neben dem König hatte den Mund zum Lachen geöffnet. Dabei entblößte es eine ähnliche Lücke zwischen den Schneidezähnen, wie sie Isaak schon bei Wicco aufgefallen war. Er schüttelte den Kopf. Der König war also unabkömmlich, weil der Pfalzgraf das gleiche Ziel verfolgte wie unzählige fränkische Würdenträger, die ihre heiratsfähigen Töchter in die Nähe des jüngst verwitweten Herrschers bugsierten.
    »Ich kenne die Gepflogenheit des Hofes«, sagte Isaak, »da ich in Aachen mit König Karl bereits getafelt habe. Sobald der Vorleser sein Werk getan hat und der vierte Gang aufgetragen ist, will der Herr König gewiss hören wollen, welche Fortschritte der Bau seiner capella macht.«
    Der Pfalzgraf schüttelte den Kopf.
    »Es sind schon Herren aus Aachen eingetroffen, die ihm darüber Bericht erstatten. Geh ins Küchenhaus, Jude, und lass dir etwas zu essen geben.«
    Er wandte sich zum Gehen.
    »Warte«, rief Isaak. Seufzend entnahm er seiner unendlich tiefen Rocktasche Ezras Koranseite und den Schutzbrief des Kalifen. Er hatte gehofft, Zugang zum König zu erhalten, ohne einen Trumpf ausspielen zu müssen, der bei den falschen Leuten Neugier erwecken könnte. »Überbringe König Karl diese überaus wichtige Nachricht aus dem Morgenland. Um sie zu übermitteln, habe ich Beschwernisse einer langen Reise auf mich genommen.«
    Widerwillig nahm der Pfalzgraf die beiden Schriftstücke entgegen. Er sah sie sich kurz an, öffnete die Tür zum Saal und winkte jemanden zu sich her. Eine sehr bunt gekleidete und reichlich mit Juwelen bestückte rundliche Frau eilte an seine Seite.
    »Was ist das hier?«, fragte er sie.
    Isaak unterdrückte ein Lächeln. Wie so viele hohe Herren, die mit wichtigen Aufgaben wie der Kriegsführung, der Verteidigung und des Jagdbetriebs im Allgemeinen beschäftigt waren, hatte auch der Pfalzgraf offensichtlich nie die Zeit gefunden, das Lesen zu erlernen. Aber dafür hatte er schließlich seine Frau. Die runzelte die Stirn.
    »Das kann keiner lesen«, versetzte sie.
    »König Karl schon«, sagte Isaak und wies auf das Siegel des Kalifen. »Die Einzelheiten dieser Botschaft soll ich ihm übersetzen. Nur ihm.«
    Die Pfalzgräfin blickte in den Saal hinein. Der Kopf des Königs war dem ihrer Tochter erfreulich nah.
    »Der Herr König hat gerade jetzt überhaupt keine Zeit«, sagte sie bestimmt.
    Isaak beugte sich zu ihr hin.
    »Hohe Frau«, flüsterte er, »nicht ich bin es, der drängt, sondern eben die Zeit! Der Kalif von Bagdad will die fränkische Königin mit Perlenschnüren, Smaragdringen, Diademen und wundersamen Ohrgehängen aus funkelnden Rubinen schmücken … «
    »Es gibt keine fränkische Königin«, sagte die Pfalzgräfin prompt.
    »Eben!«, hauchte Isaak bedeutungsvoll. »Das aber weiß der Kalif, der Herr über die Reichtümer der Welt, zum Glück des Königs nicht. Doch die Juwelen sind schon unterwegs. Es muss also schnellstens eine Königin her!«
    »Was wispert ihr da?«, fragte der Pfalzgraf ungehalten.
    Die Pfalzgräfin antwortete nicht, da sie angestrengt nachdachte. Isaak zierte sich, ehe er hervorbrachte: »Es ist mir wahrlich unangenehm, Herr Pfalzgraf, dass ich dir die Wahrheit gestehen muss.«
    »Raus damit!«
    »Botschaften werden manchmal missverstanden.«
    »Keine Sorge, ich werde sie schon richtig verstehen.«
    Isaak warf der Frau Pfalzgräfin einen verschwörerischen Blick zu, ehe er antwortete.
    »Der Kalif aus Bagdad hat fälschlicherweise die Nachricht erhalten, dass im Frankenreich eine Königshochzeit unmittelbar bevorstehe. Zum Zeichen seiner Gewogenheit hat er also einen Trupp mit kostbarsten Geschmeiden für die Braut auf die Reise geschickt. Was aber wird geschehen, wenn diese Leute in Aachen eintreffen und erfahren, dass der König gar keine Braut hat? Das … « Isaak senkte die Stimme, »… könnte einen Krieg auslösen.«
    »Und was haben wir damit zu schaffen?«, fragte der Pfalzgraf, dem vor der hohen Politik schauderte, zumal vor der mit einem sicherlich barbarischen Ausland, von dem er überhaupt nichts wusste. Die schrecklichen Sachsen in seiner Nachbarschaft

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