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Die Gabe des Commissario Ricciardi

Die Gabe des Commissario Ricciardi

Titel: Die Gabe des Commissario Ricciardi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurizio de Giovanni
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beginnen kannst, alles von Neuem zu verdrängen. Aber es ist spät geworden. Ich denke mir eine Ausrede für Lucia aus und gehe zu Bambinella.

    Der trug seinen rotgeblümten schwarzen Kimono mit Seidenband um die Taille und ein schwarzes spitzenbesetztes Unterkleid, das aus dem Dekolleté herausschaute. Die langen rabenschwarzen Haare hatte er zum Pferdeschwanz gebunden und mit einem großen Hornkamm zusammengesteckt. Auf der Brust und im Gesicht zeichnete sich schwach ein dunkler Schatten ab: die widerspenstigen Härchen.
    Bambinella war damit beschäftigt, die Leiche der Taube, die am Morgen mit dem kalten Wind gekämpft hatte, in ein Stück
Zeitungspapier zu wickeln. Heiße Tränen rannen ihm das Gesicht herab. Er trocknete sie mit einem Taschentuch, in das er sich von Zeit zu Zeit schnäuzte.
    – Haben Sie gesehen, Brigadiere? Sie ist tot. Ich wusste es. Ich hab' gesehen, dass sie schlecht dran war; wenn sie anfangen, den Kopf unter die Flügel zu stecken, sind sie am Sterben. Armes Tier!
    Wieder putzte er sich die Nase. Es klang wie eine heisere Posaune.
    – Komm schon, Bambinella, Kopf hoch, es war bloß eine Taube. Was ist das schon? Wie die Menschen kommen und gehen, kommen und gehen auch die Tauben, find dich damit ab.
    – Ich kann nichts dafür, Brigadiere, ich hab' ein weiches Herz, die Tierchen tun mir leid, genau wie die Kinder. Keiner beschützt sie. Die toten Tauben begrabe ich draußen hinter der Terrasse. Leider darf ich ja keine Tiere halten und außerdem hab' ich zu arbeiten, sonst wär's bei mir sicher voll mit Katzen und Hunden.
    – Ein Tierheim! Das fehlte ja gerade noch hier oben. Hör mal, tut mir leid, wenn ich dich gerade heut' am Sonntag damit nerve, aber ich muss wissen, ob du was rausgefunden hast.
    Bambinella setzte sich anmutig in den niedrigen Korbweidensessel, die Beine sittsam nebeneinandergestellt, die Arme vor der Brust verschränkt.
    – Brigadiere, Sie kränken mich. Glauben Sie denn, wenn ich einem Freund etwas zusage, halte ich mein Versprechen nicht?
    – Das Gerede von der Freundschaft kannst du dir sparen. Du besorgst mir Informationen und ich steck dich dafür nicht
in den Knast – so einfach ist das. Meinst du, Polizisten haben Freunde wie dich? Trödeln wir nicht rum, ich hab' meiner Frau gesagt, ich geh' spazieren, und muss gleich wieder zurück.
    Bambinella lächelte listig und kokett.
    – Das sagen Sie doch nur, weil Sie's nicht zugeben wollen, dabei wissen Sie ganz genau, dass wir Freunde sind. Wenn Sie natürlich ein bisschen mehr wollen, vergessen Sie nicht, für Sie ist's gratis. Sie haben ja keine Ahnung, wie viele meiner Kunden herkommen und ihrer Frau sagen, dass sie spazieren gehen …
    Maione tat, als greife er sich eine Vase und würde sie nach Bambinella werfen.
    – Irgendwann versohl ich dir noch den Hintern, so wahr mir Gott helfe! Untersteh dich nicht noch mal, verstanden? Ob gratis oder nicht, ich will davon nichts hören, klar?
    Bambinella gab sich verstimmt.
    – Ist ja gut, dann gibt's eben kein Techtelmechtel heut' Abend, macht nix, denn früher oder später … halt, stopp, nicht wütend werden. Okay, fangen wir bei dem Typ von der Hafenmiliz an. Da beweist sich mal wieder, dass nicht alles ist, wie es scheint.
    – Was meinst du damit?
    – Damit meine ich, dass hinter all seiner Ehrbarkeit, die besagt, dass er weder ein Doppelleben führte noch eine Geliebte hatte, Karten spielte oder sonst irgendwas, in Wahrheit ein ganz schöner Dreckskerl steckte.
    Maione war verblüfft.
    – Das heißt, er hatte eine Geliebte und spielte Karten?
    Bambinella lachte.
    – Ach, woher denn! Er hatte wirklich keine Laster, was das
betrifft. Er war absolut … wie soll ich sagen? Gestreng. Genau so, wie er aussah.
    – Warum sagst du dann, er war ein Dreckskerl?
    – Ich erkläre es Ihnen: Die Freundin von mir, die im Bordell von La Torretta arbeitet, also nicht Gilda, die haben Sie ja neulich kennengelernt, die hier heißt Concetta, nennt sich aber Colette wie diese Schauspielerin, wie heißt sie noch gleich? Verflixt, ich komm nicht drauf …
    Maione schickte sich an, noch einmal nach der imaginären Vase zu greifen.
    – Schon gut, Brigadiere, Sie wissen doch, dass ich's auf meine Art erzählen muss. Also, verschiedene Kunden von ihr sind Fischer, und sie könnte ständig essen, also lässt sie sich von ihnen in Naturalien bezahlen, wenn sie gerade keine zahlenden Kunden hat, versteht sich. Und sie sagt, dass dieser Garofalo, seit er über die

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