Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Gabe des Commissario Ricciardi

Die Gabe des Commissario Ricciardi

Titel: Die Gabe des Commissario Ricciardi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurizio de Giovanni
Vom Netzwerk:
Kontrolleure der Fischer zu bestimmen hatte, ihnen drohte.
    Maione hakte nach:
    – Inwiefern drohte er ihnen?
    – Er verlangte Geld von ihnen, damit er ihre Boote nicht beschlagnahmte. Ich hab's nicht genau verstanden, aber anscheinend konnte er sich, wenn er wollte, die Boote schnappen. Sie wissen ja, Brigadiere, das Boot ist alles, was ein Fischer hat. Nimmt man's ihm weg, ist er mitsamt seiner Familie erledigt. Na ja, dieser Garofalo erpresste sie.
    Maione war verwirrt.
    – Aber wenn die Zeugen doch sagen, dass er nicht mal Fisch als Geschenk annahm, den die Leute ihm nach Hause brachten? Ich hab's mit eigenen Ohren gehört.
    Bambinella kicherte verschlagen.
    – So war es auch, das hat mir auch Concetta gesagt. Sie sagt, es sei alles organisiert gewesen. Er selbst hat den Fischern gesagt, ihm den Fisch zu bringen, und sie dann weggeschickt, um allen zu zeigen, dass er sich nicht bestechen lässt. Ziemlich clever, nicht?
    – Unglaublich! Ein starkes Stück, so was. Und wie viele Fischer hat er erpresst?
    Bambinella zuckte mit den Schultern.
    – Das wusste meine Freundin auch nicht. Sie hat mir aber erzählt, dass einer von ihnen nicht mehr zahlen konnte, weil er ein krankes Kind hat – es scheint im Sterben zu liegen – und die Behandlung zahlen musste. Dieser Garofalo hat zu ihm gesagt, das interessiere ihn einen Dreck, er solle gefälligst das Geld beschaffen, sonst würde er ihm das Boot beschlagnahmen. Und der Fischer hat vor allen anderen losgeheult und gesagt, bevor sein Sohn sterben würde, würde er Garofalo umbringen, ihm mit dem Messer den Bauch aufschlitzen, hat er gesagt.
    Maione wurde noch aufmerksamer.
    – Das hat er gesagt? Mit dem Messer? Wann war das?
    – Vor drei oder vier Tagen.
    – Weißt du seinen Namen?
    Bambinella nickte.
    – Ja. Er heißt Boccia, Aristide Boccia, und wohnt im Borgo Marinari unterhalb des Kastell dell'Ovo. Meine Freundin sagt, außer ihm seien mindestens noch drei weitere Männer erpresst worden.
    Maione dachte nach.
    – Ich verstehe. Eine neue Fährte also. Danke, Bambinella. Und hör mal, wegen dieser anderen Sache …
    Bambinella lächelte traurig.
    – Die weiß ich schon, Brigadiere. Sind Sie sicher, dass Sie es auch wissen wollen? Wollen Sie nicht nochmal drüber nachdenken? In ein paar Tagen ist Weihnachten.
    Maione spürte ein Frösteln. Er fühlte sich sehr schwach, vielleicht bekam er Fieber.
    – Ich hab' schon drüber nachgedacht, glaub mir. Lange sogar. Also, wenn du was weißt, sag's mir.
    Bambinella seufzte, dann sagte er:
    – Biagio Candela, Auszubildender. Er wohnt im Vico Santi Filippo e Giacomo, Nummer 22. Nachdem … seit dem Tag, als der Bruder ins Gefängnis kam, hat er – scheint's – alle früheren Kontakte abgebrochen, geheiratet und zwei Kinder gekriegt. Na ja, und wie viele andere da draußen wird er sich wohl auf Weihnachten vorbereiten. Entschuldigen Sie mich, Brigadiere, ich muss das arme Tier begraben.
    Mit im Wind wehendem Kimono trat Bambinella auf die Terrasse heraus, um die verstorbene Taube zu beerdigen.

XXV
    Ich weiß noch, wie Angelina aus dem Haus kam und sich hier zu mir ans Meer stellte.
    Das Wasser spritzte uns fast bis zu den Füßen, die vertäuten Boote schaukelten heftig. Ich betrachtete die Lichter der Stadt, sie schienen ganz nah zu sein, denn der Wind hatte die Luft klar gemacht. So eine Kälte, Mann. Eine Eiseskälte.
    Sie ist mir nachgegangen, weil sie wusste, dass ich hergekommen war, um zu weinen. Ich will nicht, dass sie mich sieht oder die Kinder. Vor allem Vincenzino. Ich weiß, dass er mich sieht auch wenn er fast die ganze Zeit über schläft. Der Doktor hat's gesagt,
als er das letzte Mal hier war: Er sieht und hört Sie, aber er ist zu schwach, um zu antworten.
    Ich hatte Angelina nicht kommen sehen. Wie sie so in den schwarzen Schal gewickelt dastand, sogar der Kopf war darunter verschwunden, bin ich erschrocken. Ich dachte an den Tod, und sie sah aus wie der Tod – das weiße Gesicht, die eingefallenen Augen.
    Angelina war ein junges Mädchen gewesen. Vor ein paar Monaten noch war sie ein Mädchen, immer am Lachen, voller Lebensfreude. Alle kannten ihr Lachen hier im Ort. Aber jetzt lacht sie nicht. Nicht mehr.
    Sie war jung und ist plötzlich alt geworden, mit Vincenzinos Krankheit gealtert. Eine alte Frau, die aussieht wie der Tod.
    Sie stellt sich neben mich und betrachtet die Lichter der Stadt in der klaren Nachtluft. Du musst die Krippe fertig machen, sagt sie. Bald ist Weihnachten und die

Weitere Kostenlose Bücher