Die Gabe des Commissario Ricciardi
Sardellen, Oliven, Kapern
und Peperoni, außerdem Blumenkohl, Kartoffeln und Brokkoli, als Beilage und zur Stärkung, und Stockfisch nach salernitanischer Art, der paniert, gebraten und dann unter reichlich Zwiebeln, grünen Oliven und kleinen Tomaten, die schon Monate zuvor auf dem Balkon zum Trocknen aufgehängt worden waren, in den Backofen geschoben wurde.
Das eigentliche Weihnachtsessen war etwas ganz anderes: Dazu gab es einzeln von Hand aufgedrehte Fusilli zu einer dicken Fleischsoße und reichlich reifem, geriebenem Ziegenkäse, danach ein Hüftstück vom Rind in Brühe und Scauratielli, in siedendem Öl frittierte süße Teigbrezeln, die mit Honig beträufelt und heiß verzehrt wurden.
Es war eine anstrengende, aber dankbare Arbeit. Wenn mit dem Mädchen der Colombos erst alles zum Besten stünde, würde sie Enrica ihre Kochrezepte haarklein beibringen, damit die Erinnerung daran nicht verloren ging.
Da war allerdings nicht nur das Essen. Weihnachten bestand noch aus anderen Dingen. Die junge Baronin, Luigi Alfredos schon vor vielen Jahren gestorbene Mutter, hatte aus der Stadt eine Krippe mitgebracht. Sie hatte ihrer Familie gehört und zählte wenige sehr antike Figuren, die Heilige Familie, die Heiligen Drei Könige, ein paar Schafe und einige Hirten. Rosa erinnerte sich gut daran, wie die Frau mit ihren zarten Kinderhänden die einzelnen Teile kurz vor Weihnachten auf einem Tischchen arrangierte und sie nach dem Dreikönigstag dann wieder wegnahm und vorsichtig in eine geblümte Schachtel legte. Die Baronin legte sehr großen Wert darauf, vor allem, als der junge Herr noch klein war; sie sagte, dass bestimmte Bilder für die Kinder das Weihnachtsfest darstellten und sie sich ein Leben lang daran erinnerten.
Die geblümte Schachtel war mit ihnen nach Neapel umgezogen und Rosa sorgte dafür, dass an Weihnachten jedes Mal die kleine Krippe der Baronin Marta von Malomonte auf dem Tischchen stand, wie ein zärtlicher Gruß aus dem Jenseits der Mutter an ihren Sohn.
Wer würde sich um diese Dinge kümmern – das Essen, die Krippe –, wenn sie nicht mehr lebte? Traurig betrachtete sie ihre leicht zitternde rechte Hand. Sie musste doch jemandem Ereignisse, Geschichten und Traditionen beschreiben, erzählen und einschärfen, sonst würde der junge Herr, nachdem sie tot und vergessen war, den Heiligabend ganz allein in irgendeinem Gasthaus verbringen. Ohne jede Erinnerung.
Rosa fragte sich, ob das Fräulein Colombo endlich beschlossen hatte, ihr Schicksal tatkräftig in die Hand zu nehmen. Sie hoffte es ja, nach ihrem Gespräch am Tag zuvor. Sie selbst konnte wirklich nicht mehr tun.
Nun wollte sie die geblümte Schachtel holen gehen. Solange sie da war, würden die alten Bräuche beibehalten werden.
Und zwar alle.
XLIII
Maione begab sich direkt zu der kleinen Mole, wo die Fischerboote anlegten. Es war ein schmaler Holzsteg, den schwere Felsblöcke am Meeresgrund verankerten.
Im Schatten eines Lagerraums des nahe gelegenen Bootsvereins verborgen, machte der Brigadiere sich zum Warten bereit. Er wollte Boccias Kollegen zuerst sehen, um später auf jeden von ihnen einzeln zugehen und ihre jeweiligen Versionen miteinander vergleichen zu können. Nicht, dass er sich irgend
welche Illusionen machte – er hätte darauf gewettet, dass die Fischer zusammenhalten würden, um ihren Freund zu schützen.
Nach und nach trudelten die Boote ein und holten ihre Segel ein. Der Brigadiere merkte sofort, dass es ein guter Tag gewesen sein musste: Die Männer waren fröhlich und die großen Körbe, die sie abluden, voller Fische, die oft sogar noch lebten – ein Meer von Silber, das im Licht der untergehenden Sonne glitzerte.
Boccias Boot legte als eines der letzten an; offensichtlich hatte man die günstigen Bedingungen bis zuletzt ausnutzen wollen. Die Männer luden aus und brachten das Boot in Ordnung; sie bauten das Segel ab, legten die Ruder weg und holten das Netz ein.
Maione wartete. Dabei fiel ihm auf, dass zwei der Männer ganz eindeutig Vater und Sohn waren. Der dritte war hager und von sehr dunkler Hautfarbe, fast wie ein Farbiger. Auf der Mole war auch Alfonso, Boccias Sohn, der seinen Vater wie am Vortag abholte. Boccia verabschiedete sich von seinen Kameraden und folgte dem Jungen mit finsterer Miene. Maione überlegte, dass er sich vielleicht wegen seines jüngsten Kindes sorgte. Aber es konnten natürlich auch Gewissensbisse sein.
Die anderen drei trennten sich nach kurzer Zeit: Der Vater und sein
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