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Die Gabe des Commissario Ricciardi

Die Gabe des Commissario Ricciardi

Titel: Die Gabe des Commissario Ricciardi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurizio de Giovanni
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Fuß auf den Weg zu ihrem Ziel.
    Unterwegs hatten sie sich eine Kleinigkeit zu essen geholt – Ricciardi eine Sfogliatella und Maione zwei Panzarotti –, um Zeit zu sparen und mit den Ermittlungen voranzukommen, da es schon bald dunkel werden würde. Sie wussten, dass Weihnachten alles zum Stillstand bringen und die Feiertagsträgheit ihrer Untersuchung bis zum Dreikönigstag eine Wand des Schweigens und viele geschlossene Türen entgegensetzen würde, wodurch die Mörder ganz klar im Vorteil wären.
    Maione verstand nicht genau, warum sie sich ein weiteres Mal an den Tatort begaben. Er fand es unnötig. Schließlich musste er noch ins Fischerviertel, um Boccias Bootskameraden zu befragen, und bevor es Abend wurde, wollte er noch einmal nachsehen, was die Hände taten, die seinen Sohn getötet hatten und nun in San Gregorio Armeno Holzfiguren schnitzten. Nur so, bloß damit er sich entschließen konnte, sein Leben und das des Mörders zu zerstören – entsprechend dem absurden Ehrenkodex, mit dem er aufgewachsen war.
    Ricciardi wollte den Pförtner wiedersehen. Zwar war der Mann oft betrunken und sah nicht besonders zuverlässig aus, aber der Kommissar hatte ihn noch nicht zum Schauplatz des Verbrechens befragt: Vielleicht konnte er sich diesmal, falls er etwas nüchterner war, ja an weitere Details erinnern.
    Sie hatten Glück: Ferro war an seinem Platz, und dieses Mal wirke er zurechnungsfähiger. Er hatte eben die Krippe in den Hauseingang gestellt und schien stolz auf sich zu sein.
    Eine Gruppe von Kindern bestaunte sein Werk: Man hörte anerkennende Pfiffe, Seufzer und gelegentliches Händeklatschen.
    Als der Mann die Polizisten kommen sah, veränderte sich sein Gesichtsausdruck. Sein Blick wurde besorgt und misstrauisch; er verscheuchte die Kinder, als ob sie Fliegen wären, und ging den beiden entgegen.
    – Guten Abend. Sie wünschen?
    Die zwei sahen sich ein wenig überrascht an. Es schien, als hätte der Pförtner sie nicht wiedererkannt.
    – Hallo, Ferro. Sie sollen uns zur Wohnung der Garofalos begleiten.
    Ricciardi war gewollt brüsk aufgetreten, um die Reaktion des Mannes zu sehen. Dieser kniff nun die Augen zusammen.
    – Ach, Commissario, bitte entschuldigen Sie, ich war geblendet und hab' Sie nicht erkannt. Gerade habe ich die Krippe aufgestellt; ich dachte, wenn sie schon fertig ist, kann ich sie auch in den Hauseingang stellen. Ich hab' sie eben den Kindern aus dem Haus gezeigt.
    Maione schaltete sich in das Gespräch ein:
    – Während wir nach oben gehen, Ferro, würde ich gern wissen, ob Ihnen in den letzten Tagen etwas eingefallen ist. War
jemand zu Besuch bei den Garofalos? Haben Sie einen Streit gehört? Solche Dinge eben.
    Ferro hatte einen Schlüsselbund von einem Schlüsselbrett genommen und stieg die Treppe vor ihnen hoch.
    – Wo ich darüber nachdenke – ja, es war jemand bei ihnen gewesen. Ein Ehepaar, Mann und Frau. Das war vielleicht drei, vier Tage vor … nun ja, vor dem Vorfall.
    – Wie sahen die beiden aus? Haben sie Ihnen ihren Namen gesagt?
    – Nein, ehrlich gesagt nicht, sie haben nichts gesagt. Ich hab' sie auch nicht gefragt, weil ich sie erst gesehen hab', als sie runterkamen. Als sie hochgingen, war ich … war ich gerade nicht da.
    – Woher wussten Sie dann, dass die Leute bei den Garofalos waren?
    – Ich habe Garofalo später danach gefragt. Aus Neugier.
    Somit war der Besuch der Boccias bestätigt, dachte Maione.
    – Hatten Sie die beiden schon einmal gesehen? Oder haben Sie sie danach wiedergesehen?
    – Nein, Brigadiere, weder noch. Nur dieses eine Mal. Ich kann Ihnen auch nicht sagen, wie lange sie geblieben sind, weil …
    Maione beendete seinen Satz für ihn:
    - … weil Sie, als sie ankamen, nicht da waren, ich weiß.
    Ferro hatte den Mund geöffnet und war zur Seite getreten, ohne in die Wohnung hineinzuschauen. Ricciardi beobachtete ihn.
    – Gehen Sie vor, Ferro. Führen Sie uns hinein.
    Der Mann warf ihm einen entsetzten Blick zu.
    – Commissario, ich möchte lieber … also, ich warte hier draußen auf Sie.
    Ricciardi sah nicht weg.
    – Nein. Sie warten nicht auf uns. Sie gehen mit rein.
    Sein Ton ließ keine Widerrede zu. Maione ging auf den Mann zu; der schloss die Augen halb, öffnete die Tür und trat ein.
    Die Wohnung lag im Halbdunkel, da nur wenig Licht durch die fast zugezogenen Vorhänge drang. Auf dem Boden im Eingangsbereich waren dennoch die Flecken zu erkennen, die Costanza Garofalos Blut verursacht hatte. Ferro schwankte und hielt

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